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Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Levke Winter
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mit Boris darüber gesprochen.
    Nachdem klar war, wer sich mit welchem Aspekt des Falls zu befassen hatte, ging Elias ins Büro und schrieb auf ungefähr vier Dutzend Haftnotizzetteln nieder, was seine Kollegen seiner Meinung nach bei ihren Untersuchungen bedenken sollten, und verteilte die kleinen gelben Aufkleber in den Büros der Kollegen.
    »Schreckliche Geschichte«, sagte Olly, als sie abends auf der gepflasterten Terrasse saßen, die wie eine Mole ins Nichts der ostfriesischen Landschaft ragte, und über den Fall nachdachten. Olly war in der Vermisstensache zur leitenden Staatsanwältin ernannt worden, und das gefiel ihr, weil sie gern mit Harm zusammenarbeitete. Sie legte ihre Füße auf einem rostigen Schemel ab. Versonnen, in Feierabendstimmung, nahm sie einen Schluck von dem Wein, den Elias von Edeka mitgebracht hatte. In dem verwilderten Garten flatterte King Kong an einem Pfahl. Olly hatte ihn mit einer langen Leine festgebunden, damit er ihrem Untermieter nicht weiter Hände und Gesicht zerhackte. »Und diese Gitta ist mit der Situation auf dem Hof überfordert?«, fragte sie.
    »Hört sich jedenfalls so an, nach dem, was Oma Inse sagt. Ob’s nun stimmt …«
    »Jedenfalls ist es richtig, dass Harm ihr Alibi überprüfen lässt. Überforderung ist ein Mordmotiv.« Es klang schrecklich, aber Olly hatte natürlich recht. »Armes Mädchen, diese Steffi. Stell dir das vor, du sitzt den ganzen Tag auf dem Sofa vor dem Fernseher und kannst nur raus, wenn dich einer freundlichst mitnimmt, wozu aber keiner Zeit oder Lust hat.«
    Elias nickte. Sie schwiegen. King Kong tobte um den Pfahl, Möwen krächzten über die Wiesen, ansonsten herrschte Stille. Elias merkte, wie seine Anspannung allmählich von ihm abbröckelte. Bei Olly lebte es sich nicht schlecht, so viel stand fest.
    Seine Vermieterin wedelte einen Schmetterling fort, der sich auf ihrer Zehe niedergelassen hatte. »Weißt du, dass ich mal als Richterin gearbeitet hab? In Düsseldorf?«
    »Und warum bist du dann nach Ostfriesland gekommen?«, wollte Elias wissen, dem beim besten Willen kein Grund dafür einfiel.
    »Weil ich’s hier schön finde.« Olly wies mit ihrem Fuß auf die Stoppelwiesen, die bis zum Horizont reichten. »Ich bin in dieser Gegend geboren und finde es schön, dass hier nix passiert. Diese absolute Ruhe. In Düsseldorf sind sogar die Pflastersteine hektisch.« Sie hielt die Weinflasche gegen das Abendlicht und goss sich das letzte Schlückchen ins Glas. »Ich hab dort beim Sozialgericht gearbeitet. Dachte mir, ich rette mal eben die Welt. So ist man ja, wenn man jung ist, hundert Prozent Idealist. Irgendwo zwischen Nelson Mandela und Che Guevara.«
    »Und dann?«
    »Hartz IV rund um die Uhr.«
    »Ich hätte gedacht, da wäre man als Idealist gerade richtig.«
    »Spinner«, sagte Olly.
    »Und dann bist du wieder zurückgekommen.«
    King Kong tobte um seinen Pfahl und würgte sich den schönen bunten Federhals. Einen Moment hatte Elias die Vision eines Brathähnchens. Er lächelte. Olly räkelte sich neben ihm, auf ihr Pferdegesicht schien die rote Abendsonne. Elias mochte das Wort Idylle nicht. Es klang nach Kitsch, und Kitsch erinnerte ihn an überzuckerten Mandelpudding. Aber ihm fiel kein anderes Wort ein, um die Stimmung zu beschreiben. Es war idyllisch bei Olly, ganz ohne Zweifel.
    »Du weißt aber schon, dass dein Auszug hier überfällig ist, oder?«, gähnte Olly.
    »Ich arbeite dran«, versicherte er ihr.
    Am nächsten Morgen fuhr er von seinem vorübergehenden Zuhause bei Olly direkt nach Neermoor auf den Hof der Familie Coordes. Es war gegen neun Uhr. Ulf Krayenborg hatte sich bereits eingefunden und redete mit einer Reporterin. Hinter ihm fuhrwerkte ein Fernsehteam mit Kameras herum. Verschwundene Kinder waren für die Medien, was die Schatztruhe für den Piraten, da durfte man sich nichts vormachen. Elias machte einen Bogen um den Pulk. Er sah, dass die umliegenden Felder von der Hundertschaft abgesucht wurden, die Harm angefordert hatte. Emsige Tätigkeit überall. Als er Oma Inse, die mit fassungsloser Miene den Hof fegte, nach Boris fragte, erklärte sie ihm, dass der Junge wieder herumstromerte. »Sind doch Osterferien«, meinte sie. »Was wollen denn all die Leute hier?«
    »Steffi finden.«
    »Warum denn so viele?«
    »Damit es schneller geht.« Einer der Kameramänner wollte Oma Inse in Großaufnahme vor die Linse bekommen. Elias drängte die alte Frau ins Haus. »Wo genau stromert Boris denn?«
    »Überall.

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