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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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der Baseballkappe so tief in die Stirn, wie es möglich war.
    Wenn Jimmy jetzt bei ihm gewesen wäre, hätte er in diesem Augenblick seinen Kragen hochgeschlagen, die Arme nach vorn schnellen lassen und verkündet, dass die Show beginne.
    Byrne überquerte die Straße und bog in die dunkle Gasse ein.

46.
    Das Morphium verlieh ihm Flügel. Auf den Schwingen eines Adlers stieg er in die Höhe. Gemeinsam besuchten sie seine Großmutter in dem Reihenhaus in der Parrish Street. Der Buick LeSabre seines Vaters stand auf dem Bordstein und stieß ratternd blaugraue Abgase aus.
    Die Zeit sprang vor und zurück. Der Schmerz streckte wieder seine Tentakel nach ihm aus. Einen Augenblick lang war er ein junger Mann. Er konnte tänzeln, ausweichen, kontern. Aber der Krebs war ein starker Gegner des Mittelgewichts. Und ein schneller Gegner. Ein Haken in den Magen, und glühender Schmerz loderte auf. Er drückte auf die Klingel. Gleich würde die kühle weiße Hand sanft über seine Stirn streichen…
    Er spürte, dass jemand in seinem Zimmer war. Er hob den Blick. Am Fußende des Bettes stand jemand. Ohne Brille konnte er den Mann nicht erkennen, doch auch mit wäre es schwierig gewesen. Lange Zeit hatte er darüber nachgedacht, was er als Erstes einbüßen würde, doch er hatte nicht mit seinem Erinnerungsvermögen gerechnet. In seinem Job, in seinem Leben war das Erinnerungsvermögen alles. Erinnerungen waren das, was uns quälte. Erinnerungen waren das, was uns rettete. Sein Langzeitgedächtnis schien noch intakt zu sein. Die Stimme seiner Mutter. Die Art, wie sein Vater nach Tabak und 3-in-1-Öl roch. Das waren seine Sinne, und jetzt täuschten sie ihn.
    Was hatte er getan?
    Wie war ihr Name?
    Er konnte sich nicht erinnern. Er konnte sich kaum noch an etwas erinnern.
    Die Gestalt näherte sich. Der weiße Kittel schimmerte in einem himmlischen Licht. War er schon tot? Nein. Er spürte seine Glieder. Sie waren schwer und dick. Der Schmerz stach in seinen Unterleib. Der Schmerz bedeutete, dass er noch lebte. Er drückte auf die Klingel und schloss die Augen. Die Augen des Mädchens starrten ihn aus der Dunkelheit an.
    »Wie geht es Ihnen, Doktor?«, stammelte er schließlich.
    »Mir geht es gut«, erwiderte der Mann. »Haben Sie starke Schmerzen?«
    Haben Sie starke Schmerzen?
    Die Stimme war ihm vertraut. Eine Stimme aus der Vergangenheit.
    Der Mann war kein Arzt.
    Er hörte ein Knacken und ein Zischen. Das Zischen verwandelte sich in seinen Ohren in ein Dröhnen, in ein beängstigendes Geräusch. Und das hatte einen guten Grund. Es war das Geräusch seines eigenen Todes.
    Doch dann schien das Geräusch von einem Ort in Nord-Philadelphia zu kommen, einem abscheulichen, hässlichen Ort, der ihn seit über drei Jahren in seinen Träumen heimsuchte, einem furchtbaren Ort, wo ein junges Mädchen gestorben war. Und er wusste, dass er diesem jungen Mädchen bald wieder begegnen würde.
    Und dieser Gedanke versetzte Detective Philipp Kessler in Todesangst – mehr als der Gedanke an sein eigenes Ende.

47.
    Der Tresonne Supper Club war ein dunkles, verräuchertes Restaurant in der Sansom Street in Center City. Anfang der Siebziger wurde es als gute Adresse betrachtet, als eines der besten Steakhäuser der Stadt, in dem sich Spieler der Sixers und Eagles und Persönlichkeiten aus unterschiedlichen politischen Bereichen trafen. Jessica erinnerte sich, dass sie mit ihrem Bruder und ihrem Vater einmal dort gegessen hatte, als sie sieben oder acht Jahre alt war. In den Augen der kleinen Jessica war das Restaurant der eleganteste Ort der Welt.
    Jetzt war daraus ein drittklassiges Esslokal mit einer bunt gemischten Kundschaft düsterer Gestalten aus der Pornoszene und der Unterwelt geworden. Die dunkelroten Vorhänge, die seinerzeit eine New Yorker Steakhaus-Atmosphäre proklamierten, waren nun von Stockflecken übersät und hatten sich mit Nikotin und Fett eines Jahrzehnts vollgesogen.
    Dante Diamond war Stammkunde dieses Lokals. In der Regel hielt er in der großen halbrunden Nische hinten im Restaurant seinen Hof. Sie hatten sich sein Vorstrafenregister angesehen und erfahren, dass die drei Ausflüge ins Roundhouse innerhalb der letzten zwanzig Jahre ihm lediglich zwei Anklagen wegen Zuhälterei und eine wegen eines kleinen Drogenbesitzes eingebracht hatten.
    Sein neuestes Foto war zehn Jahre alt, aber Eugene Kilbane war sicher, dass er ihn erkennen würde. Außerdem war Dante Diamond in einem Club wie dem Tresonne ein König.
    Das

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