Byrne & Balzano 02 - Mefisto
durchsuchte den Keller, als Byrne sie aus dem Erdgeschoss rief. Als sie oben ankam und das Wohnzimmer betrat, stand Byrne neben dem Bücherregal.
»Du wirst es nicht glauben«, sagte Byrne. Er hielt ein großes Fotoalbum aus Kunstleder in der Hand, das etwa in der Mitte aufgeschlagen war.
Jessica nahm das Fotoalbum in die Hand. Beim Anblick der Bilder stockte ihr der Atem. Es waren ein Dutzend Fotos der jugendlichen Angelika Butler. Auf einigen war sie allein abgebildet: auf einer Geburtstagsparty, in einem Park. Auf anderen war sie zusammen mit einem jungen Mann zu sehen. Vielleicht ihr Freund.
Auf fast allen Fotos war Angelikas Kopf durch den einer Schauspielerin ersetzt worden: Bette Davis, Emily Watson, Jean Arthur, Ingrid Bergman, Grace Kelly. Das Gesicht des jungen Mannes war mit einem Messer oder einem Eispickel unkenntlich gemacht worden. Seitenweise Fotos von Angelika Butler – mit dem Gesicht von Elizabeth Taylor, Jeanne Grain, Rhonda Fleming – neben einem Mann, dessen Gesicht in einem Anfall blinder Wut zerstört worden war. Teilweise waren die Seiten an den Stellen eingerissen, wo das Gesicht des jungen Mannes gewesen war.
»Kevin.« Jessica zeigte auf ein Foto, auf dem Angelika Butlers Gesicht mit dem der blutjungen Joan Crawford überklebt worden war und ihr entstellter Begleiter auf einer Bank neben ihr saß.
Auf diesem Bild trug der Mann ein Pistolenhalfter über der Schulter.
72.
Wie lange ist es her? Ich weiß es auf die Stunde genau. Drei Jahre, zwei Wochen, einen Tag und einundzwanzig Stunden. Die Gegend hat sich verändert. Die Topographie meines Herzens nicht. Ich denke an die Abertausende von Menschen, die in den letzten drei Jahren hier vorbeigefahren sind, die ungezählten Dramen, die sich abgespielt haben. Obwohl wir immer gerne das Gegenteil behaupten, sorgen wir uns nicht um den anderen. Ich sehe es jeden Tag. Wir alle sind nur Statisten und werden im Abspann des Films nicht einmal erwähnt. Wenn wir einen Satz sprechen, erinnert sich vielleicht jemand an uns. Wenn nicht, nehmen wir unseren mageren Lohn und bemühen uns, im Leben irgendeines Menschen die Hauptrolle zu spielen.
Meistens scheitern wir. Erinnern Sie sich an Ihren fünften Kuss? An das dritte Mal, als Sie Sex hatten? Natürlich nicht. Nur an das erste und das letzte Mal.
Ich schaue auf meine Uhr. Und gieße Benzin über den Wagen.
Dritter Akt.
Ich zünde mein Feuerzeug an.
Ich denke an Männer, die durchs Feuer gehen. Der Feuerteufel. Fahrenheit 451. Im Feuer.
Ich denke an Angelika.
73.
Um dreizehn Uhr hatte die Sonderkommission im Roundhouse einen Besprechungsraum für ihre Arbeit eingerichtet. Jeder Fetzen Papier, den sie in Nigel Butlers Haus gefunden hatten, war in Kartons gepackt und beschriftet worden. Jetzt wurde das gesamte Material gesichtet, um eventuell eine Adresse, eine Telefonnummer oder irgendetwas zu finden, das ihnen Aufschluss über Butlers Aufenthaltsort hätte geben können. Ob er wirklich eine Hütte in den Poconos besaß, wussten sie nicht. Jedenfalls fanden sie keine Buchungsquittungen, keinen Kaufvertrag, keine Fotos.
Das kriminaltechnische Labor hatte mit der Untersuchung der Fotoalben begonnen und festgestellt, dass es sich bei dem Klebstoff, mit dem die Köpfe der Schauspielerinnen auf Angelika Butlers Gesicht geklebt worden waren, um handelsüblichen weißen Kraft-Klebstoff handelte. Erstaunlicherweise war der Klebstoff noch weich. Das Labor hatte festgestellt, dass er an einigen Stellen noch nicht vollständig getrocknet war. Die Fotos mussten in den letzten achtundvierzig Stunden in die Alben geklebt worden sein.
***
Um dreizehn Uhr zehn bekam Jessica den Anruf, auf den sie ungeduldig und ängstlich gewartet hatte. Es war Nick Palladino. Jessica nahm den Anruf entgegen und schaltete den Lautsprecher ein.
»Was gibt's, Nick?«
»Ich glaube, wir haben Nigel Butler gefunden.«
»Wo ist er?«
»Er sitzt in seinem geparkten Fahrzeug. In Nord-Philadelphia.«
»Wo?«
»Auf dem Parkplatz einer Tankstelle in der Girard.«
Jessica spähte zu Byrne hinüber. Ihm brauchte niemand zu sagen, um welche Tankstelle es sich handelte. Er war einst dort gewesen. Er wusste es.
»Habt ihr ihn verhaftet?«, fragte Byrne.
»Nicht wirklich.«
»Wie meinst du das?«
Palladino holte tief Luft und atmete langsam aus. Es dauerte fast eine volle Minute, bevor er die Frage beantwortete. »Er sitzt hinter dem Steuer seines Wagens«, sagte Palladino schließlich.
Wieder vergingen qualvolle
Weitere Kostenlose Bücher