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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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den Park und spielen Fangen. Verkäufer preisen ihre Waren an. Studenten lesen in ihren Fachbüchern und hören Musik aus MP3-Playern.
    Ich nähere mich der Jugendlichen. Sie sitzt auf einer Bank und liest ein Buch von Nora Roberts. Sie hebt den Blick. Ihr hübsches Gesicht erhellt sich. Sie erkennt mich wieder.
    »Ah. Hallo«, sagt sie.
    »Hi.«
    »Schön, Sie zu sehen.«
    »Darf ich mich zu dir setzen?«, frage ich und hoffe, dass ich mich richtig ausgedrückt habe.
    Sie strahlt mich an. Auf jeden Fall hat sie mich verstanden. »Ja klar«, erwidert sie. Sie steckt ein Lesezeichen in ihr Buch, klappt es zu und steckt es in ihre Tasche. Sie streicht über den Saum ihres Kleides. Sie ist eine sehr gewissenhafte, ordentliche junge Dame. Gut erzogen.
    »Ich verspreche, dass ich nicht über die Hitze sprechen werde«, sage ich.
    Sie lächelt und schaut mich fragend an. »Die was?«
    »Hitze?«
    Sie lächelt. Die Tatsache, dass wir beide uns in einer anderen als der normalen Sprache verständigen, lenkt die Aufmerksamkeit der anderen auf uns.
    Ich betrachte sie einen Moment. Mein Blick gleitet über ihre Gesichtszüge, ihr weiches Haar, ihre Haltung. Sie bemerkt es.
    »Was ist?«, fragt sie.
    »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wie eine Schauspielerin aussiehst?«, frage ich.
    Ich sehe ein leichtes Zucken in ihrem Gesicht, als hätte ich sie durch meine Bemerkung beunruhigt, doch als ich sie anlächle, schwindet ihre Angst.
    »Eine Schauspielerin? Ich glaube kaum.«
    »Keine Schauspielerin aus der heutigen Zeit. Ich denke an einen alten Star.«
    Sie verzieht das Gesicht.
    »Nein, nein, das meine ich nicht!«, sage ich lachend, und sie stimmt in das Lachen ein. »Ich meine nicht alt. Ich wollte sagen, dass mich deine … Ausstrahlung an einen Kinostar aus den Vierzigern erinnert. Jennifer Jones. Kennst du Jennifer Jones?«, frage ich.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Macht nichts«, sage ich. »Tut mir leid. Ich habe dich in Verlegenheit gebracht.«
    »Überhaupt nicht«, sagt sie. Ich sehe aber, dass sie nur höflich sein will. Sie wirft einen Blick auf die Uhr. »Tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen.«
    Sie steht auf und blickt auf all die Dinge, die sie bei sich hat. Sie schaut in Richtung U-Bahnstation Market Street.
    »Ich habe denselben Weg«, sage ich. »Ich helfe dir gern beim Tragen.«
    Sie mustert mich erneut. Zuerst sieht es so aus, als würde sie ablehnen, doch als ich wieder lächle, fragt sie: »Sind Sie sicher, dass es kein Umweg für Sie ist?«
    »Überhaupt nicht.«
    Ich nehme ihre beiden großen Einkaufstaschen in die Hand und hänge mir den Leinenbeutel über die Schulter. »Ich bin selbst Schauspieler«, sage ich.
    Sie nickt. »Überrascht mich nicht.«
    Als wir den Bürgersteig erreicht haben, bleiben wir stehen. Einen kurzen Augenblick lege ich eine Hand auf ihren Unterarm. Ihre Haut ist blass und glatt und weich.
    »Sie haben Fortschritte gemacht.« Sie teilt mir dies in langsamen Gebärden mit, damit ich sie richtig verstehe.
    »Ich wurde inspiriert«, erwidere ich in der Gebärdensprache.
    Das Mädchen errötet. Sie ist ein Engel.
    Aus bestimmten Blickwinkeln und in einem bestimmten Licht sieht sie wie ihr Vater aus.

78.
    Kurz nach zwölf Uhr betrat ein Polizist mit einem FedEx-Umschlag den Dienstraum der Mordkommission. Kevin Byrne hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt und die Augen geschlossen. Erinnerungen an seine Kindheit geisterten durch seinen Kopf. In einer bizarren Kostümierung, die aus einem sechsschüssigen Revolver mit Perlmuttgriff, einem Tropenhelm und einem silbernen Astronautenanzug bestand, trieb er sich auf dem Güterbahnhof herum. Der Geruch des Flusses und des Achsenfettes stieg ihm in die Nase. Der Geruch der Sicherheit. In dieser Welt gab es keine Serienkiller, keine Psychopathen, die einen Mann mit einer Kettensäge in zwei Teile schnitten oder ein Baby bei lebendigem Leibe vergruben. Die einzige Gefahr, die lauerte, war der Gürtel des alten Herrn, wenn man abends zu spät zum Essen kam.
    »Detective Byrne?«, fragte der Polizist und holte Byrne in die Gegenwart zurück.
    Byrne schlug die Augen auf. »Ja?«
    »Das hier ist gerade für Sie gekommen.«
    Byrne nahm den Umschlag entgegen und schaute auf den Absender. Der Brief stammte von einer Anwaltskanzlei in Center City. Byrne riss den Umschlag auf und fand einen zweiten Umschlag. Daran war ein Brief von der Kanzlei geheftet, in dem stand, dass der versiegelte Umschlag aus dem Nachlass von Phillip Kessler

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