Byrne & Balzano 02 - Mefisto
stammte und im Falle seines Todes an ihn geschickt werden sollte. Byrne öffnete den zweiten Umschlag. Als er den Brief las, wurden eine Unmenge neuer Fragen aufgeworfen, deren Antworten im Leichenschauhaus lagen.
»Das glaub ich einfach nicht, verdammt«, rief er. Die anderen Detectives in dem Raum starrten ihn an. Jessica ging zu ihm.
»Was ist?«, fragte sie.
Byrne las den Brief von Kesslers Anwalt laut vor. Niemand konnte etwas damit anfangen.
»Willst du damit sagen, dass Phil Kessler bezahlt wurde, damit Julian Matisse aus dem Knast entlassen wurde?«, fragte Jessica.
»So steht es in dem Brief. Phil wollte, dass ich es erfahre, aber erst nach seinem Tod.«
»Was ist los? Wer hat ihn bezahlt?«, fragte Palladino.
»Das steht nicht in dem Brief. Es steht allerdings darin, dass Phil zehn Riesen bekommen hat, damit er Jimmy Purify belastet und auf diese Weise dafür sorgt, dass Julian Matisse bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Knast entlassen wird.«
Die Detectives staunten nicht schlecht.
»Glaubst du, es war Butler?«, fragte Jessica.
»Gute Frage.«
Die gute Nachricht war, dass Jimmy Purify jetzt in Frieden ruhen konnte und sein Name nicht mehr durch einen unschönen Verdacht befleckt war. Aber da Kessler, Matisse und Butler nun tot waren, gab es kaum eine Chance, diese Sache jemals vollständig aufzuklären.
Eric Chavez, der die ganze Zeit telefoniert hatte, legte gerade auf. »Stellt euch vor, das Labor hat herausgefunden, von welchem Film die sechste Lobby Card war.«
»Und welcher Film ist es?«, fragte Byrne.
»Der letzte Zeuge. Der Film mit Harrison Ford.«
Byrne schaute auf den Fernseher. Kanal 6 sendete live von der Ecke Dreißigste und Market Street. Passanten wurden befragt, was sie davon hielten, dass Will Parrish einen Film im Bahnhof drehte.
»Mein Gott«, sagte Byrne.
»Was ist?«, fragte Jessica.
»Der Fall ist noch nicht abgeschlossen.«
»Wieso?«
Byrne überflog noch einmal den Brief von Kesslers Anwalt. »Denk doch mal nach. Warum sollte Butler sich vor dem großen Finale umbringen?«
»Ich weiß, man soll die Toten in Frieden ruhen lassen«, sagte Palladino, »aber wen interessiert das? Dieser Irre ist tot und damit basta.«
»Wir wissen doch gar nicht, ob Nigel Butler in dem Wagen saß.«
Das entsprach der Wahrheit. Sie hatten bisher weder eine DNA-Analyse noch ein Zahnprofil vorliegen. Es hatte einfach kein Grund zu der Annahme bestanden, dass in dem Wagen ein anderer als Butler saß.
Byrne sprang auf. »Vielleicht war das Feuer nur ein Ablenkungsmanöver. Vielleicht hat er es getan, weil er mehr Zeit brauchte.«
»Und wer saß in dem Wagen?«, fragte Jessica.
»Keine Ahnung«, erwiderte Byrne. »Aber warum sollte er uns den Videoclip gesendet haben, der uns zeigt, dass er das Baby vergräbt, wenn er nicht gewollt hätte, dass wir es rechtzeitig finden? Warum hat er das Baby nicht einfach sterben lassen, wenn er Ian Whitestone wirklich auf diese Weise hätte bestrafen wollen? Warum hat er Whitestone seinen toten Sohn nicht einfach vor die Tür gelegt?«
Darauf wusste keiner eine plausible Antwort.
»Alle Morde in den manipulierten Filmen wurden in Badezimmern verübt, nicht wahr?«, fragte Byrne.
»Richtig. Und?«
»In Der letzte Zeuge beobachtet das kleine amische Kind einen Mord«, fuhr Byrne fort.
»Ich kann dir nicht folgen«, sagte Jessica.
Auf dem Bildschirm sahen sie, dass Ian Whitestone den Bahnhof betrat. Byrne nahm seine Waffe aus dem Halfter und überprüfte den Mechanismus. Auf dem Weg zur Tür sagte er: »In dem Film wird dem Opfer in einer Toilette im Bahnhof in der Dreißigsten Straße die Kehle durchgeschnitten.«
79.
Die 30 th Street Station war im Landesregister historischer Bauten aufgeführt. Der achtstöckige Betonbau wurde 1934 erbaut und erstreckte sich über mehrere Häuserblocks.
An diesem Tag herrschte im Bahnhof noch lebhafteres Treiben als gewöhnlich. Mehr als dreihundert geschminkte und kostümierte Statisten liefen durch die Bahnhofshalle und warteten auf die Szene, die im Warteraum Nord gedreht werden sollte. Außerdem waren fünfundsiebzig Mitarbeiter der Filmcrew anwesend, zu denen Tontechniker, Beleuchter, Kameraleute, Schaulustige und verschiedene Produktionsassistenten gehörten.
Die Filmproduktion nahm den Bahnhof zwar für zwei Stunden in Beschlag, aber der Fahrplan wurde nicht beeinträchtigt. Die Fahrgäste wurden über einen schmalen Gang entlang der Südmauer umgeleitet.
Als die Polizei eintraf,
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