Byrne & Balzano 02 - Mefisto
diese Wahrheit machte ihr ein wenig Angst –, dass sie mit dem, was passiert war, im Reinen war. Gott stehe ihr bei, sie hatte auf einen Mann geschossen, aber sie war mit sich im Reinen.
Die gute Nachricht war, dass die interne Untersuchungskommission sie in der Woche nach dem Vorfall von jeder Schuld freigesprochen hatte. Das Recht war auf ihrer Seite. Ab heute durfte sie ihren normalen Dienst wieder aufnehmen. In der nächsten Woche sollte die Voruntersuchung im Fall D'Shante Jackson stattfinden, doch sie war bereit. An dem Tag würden siebentausend Engel auf ihrer Schulter sitzen: sämtliche Cops des Police Department von Philadelphia.
Als Sophie aus ihrem Zimmer kam, sah Jessica, dass eine andere Aufgabe auf sie wartete. Sophie trug verschiedenfarbige Socken, sechs Plastikarmbänder, die granatroten Ohrclips ihrer Großmutter und ein Kapuzensweatshirt in einem grellen Pink, obwohl die Quecksilbersäule heute aller Voraussicht nach auf über dreißig Grad steigen würde.
Jessica Balzano war draußen in der großen Welt Detective bei der Mordkommission, doch zu Hause hatte sie eine andere Aufgabe. Sogar einen anderen Rang. Hier war sie Modebeauftragte.
Sie nahm ihre kleine Verdächtige in Gewahrsam und schob sie zurück in ihr Zimmer.
***
Bei der Mordkommission der Polizei in Philadelphia arbeiteten fünfundsechzig Detectives in drei Schichten, sieben Tage die Woche. Philadelphia gehörte landesweit zu den zwölf Städten mit der höchsten Anzahl an Tötungsdelikten, und das Chaos, das Stimmengewirr und die Hektik im Dienstraum spiegelten dies wider. Die Abteilung befand sich im ersten Stock des Verwaltungsgebäudes der Polizei, des sogenannten Roundhouse, das an der Ecke Achte und Race Street lag.
Als Jessica durch die Glastür schritt, nickte sie mehreren Beamten und Detectives zu. Ehe sie um die Ecke bog, um zu den Aufzügen zu gelangen, hörte sie:
»Morgen, Detective.«
Jessica drehte sich um, als sie die vertraute Stimme hörte. Es war Mark Underwood. Jessica hatte bereits seit vier Jahren die Uniform getragen, als Underwood im dritten Distrikt angefangen hatte, ihrem alten Revier. Ein junger Spund, der gerade von der Polizeiakademie kam und damals mit einer Hand voll anderer Neulinge dem Polizeirevier Süd-Philadelphia zugeteilt worden war. Jessica hatte bei der Ausbildung einiger Officer seines Jahrgangs mitgewirkt.
»Hi, Mark.«
»Wie geht es dir?«
»Bestens«, sagte Jessica. »Noch immer im dritten Distrikt?«
»Klar«, erwiderte Underwood. »Aber ich wurde für den Film abkommandiert, der hier gedreht wird.«
»Ach so«, sagte Jessica. Jeder in der Stadt wusste, dass hier ein Film mit Will Parrish gedreht wurde. Darum fuhren in dieser Woche alle Filmbegeisterten und jene, die es werden wollten, nach Süd-Philadelphia. »Kameraleute, Beleuchter und Statisten.«
Underwood lachte. »Stimmt genau.«
Es war in den letzten Jahren ein alltäglicher Anblick geworden. Die riesigen Lastwagen, die hellen Scheinwerfer, die Absperrungen. Dank einer sehr dynamischen und entgegenkommenden Filmagentur wurde Philadelphia ein Zentrum für Filmproduktionen. Auch wenn es einige Officer als tollen Job betrachteten, für die Sicherheit während der Dreharbeiten zuständig zu sein, standen sie größtenteils nur herum. Die Stadt und die Filme verband eine Hassliebe. Häufig brachten die Dreharbeiten Behinderungen mit sich – andererseits war die Stadt natürlich stolz darauf.
Irgendwie sah Mark Underwood noch immer wie ein Student aus. Andererseits war sie schon über dreißig. Jessica erinnerte sich an den Tag, als er bei der Polizei angefangen hatte, als wäre es gestern gewesen.
»Ich habe von deinem tollen Auftritt gehört«, sagte Underwood. »Glückwunsch.«
»Mit vierzig Captain«, erwiderte Jessica, die bei dem Wort vierzig innerlich zusammenzuckte. »Schauen wir mal.«
»Bestimmt.« Underwood sah auf die Uhr. »Ich muss los. Schön, dass wir uns getroffen haben.«
»Ja.«
»Morgen Abend treffen wir uns alle im Finnigan's Wake«, sagte Underwood. »Sergeant O'Brien geht in den Ruhestand. Komm doch auf ein Bier vorbei. Dann können wir über alte Zeiten plaudern.«
»Bist du sicher, dass du schon Alkohol trinken darfst?«, fragte Jessica.
Underwood lachte. »Viel Glück da draußen, Detective.«
»Danke. Wünsch ich dir auch.«
Jessica sah, dass er seine Dienstmütze aufsetzte, seinen Schlagstock befestigte und die Rampe hinunterging, wo sich stets ein paar Raucher versammelten.
Officer
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