Byrne & Balzano 02 - Mefisto
sagte Byrne. »Lass uns gehen.«
»Hast du ihn gefunden?«
»Nein.«
Victoria starrte ihn an. »Es ist doch was passiert. Sag es mir, Kevin.«
Byrne nahm sie an die Hand und führte sie zur Tür.
»Sagen wir mal so… Ich habe die Wahl getroffen.«
***
Die X-Bar befand sich im Untergeschoss eines alten Möbellagers in der Erie Avenue. Ein großer schwarzer Mann in einem vergilbten weißen Leinenanzug stand vor der Tür. Er trug einen Panamahut und rote Lacklederschuhe. Am rechten Handgelenk hing rund ein Dutzend goldener Armreifen. Zwei Türen weiter links stand ein wenig im Schatten ein kleinerer Mann mit den ausgeprägten Muskeln eines Bodybuilders, rasiertem Schädel und Spatzen-Tattoos auf den dicken Armen.
Der Eintritt kostete pro Person fünfundzwanzig Dollar. Sie bezahlten bei einer hübschen jungen Frau in einem pinkfarbenen ledernen Fetischkleid, die gleich hinter der Tür saß. Sie schob das Geld durch einen Metallschlitz in der Wand hinter sich.
Sie traten ein und stiegen eine lange, schmale Treppe zu einem noch längeren Gang hinunter. Die Wände waren mit einem himbeerfarbenen Glanzlack gestrichen. Der dröhnende Rhythmus eines Diskosongs wurde lauter, als sie sich dem Ende des Gangs näherten.
Die X-Bar war einer der wenigen Hardcore/Sadomaso-Clubs, die es in Philadelphia noch gab, eine Rückkehr zu den hedonistischen Siebzigern, eine Welt vor Aids, in der noch alles möglich war.
Ehe sie zur Bar um die Ecke bogen, kamen sie an einer großen Nische in der Wand vorbei, in der eine Frau auf einem Stuhl saß. Es war eine Weiße mittleren Alters mit einer Ledermaske. Zuerst war Byrne sich nicht ganz sicher, ob es sich um eine Frau oder eine Puppe handelte. Ihre Arme und Oberschenkel sahen aus, als wären sie aus Wachs, und sie saß vollkommen reglos da. Als sich zwei Männer näherten, stand die Frau auf. Einer der Männer trug eine hautenge Latexjacke und ein Hundehalsband mit einer Leine. Der andere Mann warf ihn grob vor die Füße der Frau. Diese ergriff eine Reitpeitsche und versetzte dem Mann in der hautengen Jacke leichte Hiebe. Es dauerte nicht lange, bis er zu heulen anfing.
Als Byrne und Victoria die Bar durchquerten, sah Byrne, dass die Hälfte der Gäste Sadomaso-Kleidung trug: Leder und Ketten, Dornen und Katzenkostüme. Die andere Hälfte bestand aus Schaulustigen, Mitläufern, Schmarotzern, die sich hier nur mal umschauen wollten. Im hinteren Bereich der Bar war eine kleine Bühne mit einem einzigen Scheinwerfer auf einem Holzstuhl. Im Augenblick war die Bühne leer.
Byrne folgte Victoria. Er beobachtete die Reaktionen der Leute auf sie. Die Männer erblickten sie sofort, ihre sexy Figur, den selbstsicheren, wiegenden Gang, die glänzende schwarze Mähne. Sobald sie ihr Gesicht sahen, erschraken sie.
Doch an diesem Ort und in diesem Licht war sie eine exotische Erscheinung. Hier waren alle Stilrichtungen vertreten.
Sie gingen in den hinteren Raum, wo ein Barkeeper die Mahagonimöbel abwischte. Er trug eine Lederweste, kein Hemd und ein Dornenhalsband. Er hatte fettiges braunes Haar, das er nach hinten gekämmt hatte, und einen hohen Haaransatz. Beide Unterarme zierten kunstvolle Spinnen-Tattoos. In letzter Sekunde hob er den Blick. Als er Victoria sah, lächelte er und entblößte seine gelben Zähne und das gräuliche Zahnfleisch.
»Hallo, Schätzchen«, sagte er.
»Wie geht es dir?«, fragte Victoria. Sie rutschte auf den letzten Hocker. Der Mann beugte sich vor und küsste ihre Hand.
»Ausgezeichnet«, erwiderte der Mann.
Der Barkeeper warf einen Blick über ihre Schulter. Als er Byrne sah, erlosch sein Lächeln. Byrne starrte den Mann an, bis dieser sich abwandte. Dann ließ Byrne den Blick über die Regale hinter der Theke schweifen. Neben den Schnapsflaschen standen Bücher zu BDSM-Praktiken: Ledersex, Fesseln, Schläge, Sklaventraining, Disziplinierung.
»Ganz schön voll hier«, sagte Victoria.
»Müsstest mal sehen, was hier Samstagnacht los ist«, erwiderte der Mann.
Ich komme vorbei, dachte Byrne.
»Das ist ein guter Freund von mir«, sagte Victoria zu dem Barkeeper. »Denny Riley.«
Jetzt war der Mann gezwungen, Byrne zur Kenntnis zu nehmen. Byrne reichte ihm die Hand. Sie hatten sich schon einmal getroffen, aber der Barkeeper erinnerte sich nicht. Er hieß Darryl Porter. Byrne war in der Nacht dabei gewesen, als Porter geschnappt worden war. Er hatte Minderjährige zur Prostitution gezwungen. Die Razzia hatte auf einer Party in Northern Liberties
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