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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Minuten.

75.
    1.50 Uhr
    Lilly war in einem langen, dunklen Tunnel. Er war gerade breit genug, dass sie sich kriechend voranbewegen konnte. Die Wände bestanden aus Holz. Ein Heizungsschacht war der Tunnel also nicht.
    Lilly litt nicht unter Klaustrophobie, doch die völlige Dunkelheit und die stickige, heiße Luft in dem Schacht verliehen ihr das Gefühl, lebendig begraben zu sein. Sie wusste nicht, wie weit sie gekrochen war, und es war kein Ende in Sicht. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Mehr als einmal dachte sie, dass es vielleicht das Beste wäre, in das Zimmer zurückzukehren und dort nach einer Möglichkeit zu suchen, sich zu befreien. Doch sie konnte sich in dem Tunnel nicht drehen, dazu war er zu schmal. Sie hätte den ganzen Weg rückwärts kriechen müssen. Also beschloss sie, den Weg fortzusetzen.
    Immer wieder verharrte sie und lauschte. Irgendwo erklang Musik. Klassische Musik. Stimmen hörte sie allerdings nicht.
    Nachdem Lilly mehrere Minuten durch den Tunnel gekrochen war, gelangte sie an eine scharfe Rechtskurve und spürte einen Lufthauch. Ein dünner Lichtstrahl fiel von oben in den Tunnel. Lilly hob den Blick und sah einen noch schmaleren, röhrenförmigen Tunnel, der zu eng war, um hineinzukriechen. Er führte zu einem Eisengitter. Lilly streckte einen Arm aus, um das Gitter zu berühren, doch es war ein paar Zentimeter zu weit entfernt.
    Da hörte sie das Weinen.
    Vermutlich war das Gitter in einen Boden eingelassen. Das Weinen schien aus dem Raum darüber zu kommen. Lilly schlug mit den Fäusten gegen die Wand des Schachts und lauschte. Nichts. Noch einmal hämmerte sie gegen die Wand, fester diesmal.
    Das Weinen verstummte.
    In dem Raum war jemand.
    »Hallo?«, flüsterte Lilly.
    Stille. Dann hörte sie ein Rascheln und schlurfende Schritte.
    »Hallo?«, sagte Lilly noch einmal, etwas lauter diesmal.
    Plötzlich verdunkelte sich das Gitter. Lilly hob den Blick und schaute einer jungen Frau in die Augen.
    »O Gott«, stieß die junge Frau hervor. »O Gott!«
    »Nicht so laut!«, zischte Lilly.
    Die junge Frau beruhigte sich. Sie hörte auf zu weinen, schluchzte nur noch leise. »Ich heiße Claire. Und wer bist du?«
    »Lilly. Bist du verletzt?«
    »Nein ... nein, das nicht«, erwiderte Claire. »Kannst du mich hier rausholen?«
    Das Mädchen war schätzungsweise sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Sie hatte langes rotblondes Haar und feine Gesichtszüge. Ihre Augen waren geschwollen und rot. »Hast du das Zimmer durchsucht?«, fragte Lilly. »Hast du nach einem Schlüssel gesucht?«
    »Ich hab es versucht, aber die Schubladen sind alle zugeklebt.«
    Ich weiß, dachte Lilly. Sie schaute in den endlosen, pechschwarzen Tunnel und sah dann wieder Claire an. »Hast du eine Ahnung, wo wir sind?«
    »Nein«, sagte Claire und begann wieder zu schluchzen. »Ich hab diesen Mann im Park kennengelernt. Er hat gesagt, er gehöre zu den Parkwächtern und sie hätten eine Unterkunft ganz in der Nähe. Ich bin mit ihm durch den Wald gelaufen ... Und dann bin ich in einem Bett in diesem Zimmer aufgewacht.«
    Mein Gott, dachte Lilly. Wie viele Frauen hat der Irre hier gefangen gehalten? »Beruhige dich«, flüsterte sie. »Ich bring dich hier raus.«
    »Wie denn?«
    Lilly hatte nicht die leiseste Ahnung. Jedenfalls noch nicht. »Ich werde einen Weg finden.«
    »Ich hab so schreckliche Angst! Vorhin war er in meinem Zimmer. Ich hab so getan, als wäre ich noch bewusstlos. Er hat ein Kleid in mein Zimmer gelegt.«
    »Was für ein Kleid?«
    Claire zögerte. »Es sieht aus wie ein Brautkleid ... ein altmodisches Brautkleid.«
    Mein Gott, dachte Lilly. Was zum Teufel hat das wieder zu bedeuten? »Okay. Halt durch.«
    »Du lässt mich doch nicht allein?«
    »Ich komme zurück«, versprach Lilly.
    »Geh nicht weg!«
    »Ich muss. Ich komme wieder. Und sei leise.«
    Lilly zögerte kurz. Sie ließ Claire nur ungern allein zurück, kroch dann aber weiter. Wenn ihr Gefühl sie nicht täuschte, näherte sie sich der Rückseite des Hauses. Sie hatte keine Steigung und keine Neigung bemerkt. Also war sie vermutlich noch im ersten Stock. Die Musik war verstummt. Lilly hörte nur noch das Rascheln ihrer Kleidung auf dem Boden des Schachts und ihren eigenen Atem. Die Luft wurde wärmer.
    Lilly legte eine kurze Pause ein. Sie war schweißüberströmt und wischte sich mit ihrem T-Shirt übers Gesicht. Nach einer Minute kroch sie weiter. Sie hatte noch keine drei Meter zurückgelegt, da spürte sie erneut eine Öffnung

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