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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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kontaktiert«, sagte Lake. »Der Mann in dem Video ist einigen meiner Zeitgenossen hier in Philadelphia vom Hörensagen bekannt. Ich selbst lebe erst seit fünf Jahren in dieser Stadt und habe noch nie von ihm gehört.«
    »Und was haben Sie erfahren?«
    »Wie ich vermutet habe, ahmt dieser Mann einen anderen Magier nach, der in den Fünfzigern und Sechzigern aufgetreten ist. Dieser Zauberer müsste jetzt sehr viel älter sein.«
    »Kennen Sie den Namen?«
    »Seinen richtigen Namen nicht. Ich werde jemanden fragen, der es wissen könnte. Auf der Bühne nannte er sich Great Cygne.«
    Der Mann sprach das Wort »Cygne« aus, als bestände es aus einer einzigen Silbe.
    »Und dieser ältere Zauberer stammte aus Philadelphia?«, fragte Byrne.
    »Ich glaube ja, aber ich habe keine konkreten Informationen, die das bestätigen.«
    Lake reichte Byrne ein verblasstes Farbfoto eines großen, schlanken Mannes im Frack. »Dies hier ist das einzige Foto, das ich gefunden habe. Es wurde von einer deutschen Website heruntergeladen.«
    Byrne griff durchs Wagenfenster und nahm ein paar Fotos vom Sitz, die er in Laura Somervilles Kassette gefunden hatte. Er verglich sie mit dem heruntergeladenen Foto. Es war ein und derselbe Mann.
    »Es geht das Gerücht, dass Great Cygne ein wenig unzuverlässig war«, fuhr Lake fort. »Und dass er aus der Gemeinschaft der Zauberer ausgeschlossen wurde.«
    »Warum?«
    »Vor vielen Jahren hat er einen Zaubertrick erfunden, den er ›der singende Junge‹ nannte. Er hat ihn für viel Geld an mehrere bekannte Zauberkünstler verkauft. Die Sache hatte nur den Haken, dass er jedem von ihnen die Exklusivrechte versprach. Als das bekannt wurde, war er im Kreis der Zauberkünstler nicht mehr willkommen. Ich glaube, danach hat ihn keiner mehr gesehen.«
    »Great Cygne. Würden Sie den Namen bitte buchstabieren«, sagte Byrne.
    Lake buchstabierte ihn. In diesem Moment traf es Byrne wie ein Hammerschlag.
    »Wenn ich mich nicht irre«, fuhr Lake fort, »ist Cygne französisch und heißt übersetzt ...«
    »Schwan«, sagte Byrne.
    Schwanensee. Das Puzzle hat die Form eines Vogels.
    »Die Figur ist ein Schwan!«

80.
    2.55 Uhr
    Lilly saß in einem von Kerzen erhellten Raum auf einem Stuhl. Der alte Mann strich ihr übers Haar. Seine Finger waren eiskalt. Vor ein paar Minuten hatte Lilly ein lautes Geräusch gehört – vielleicht war eine Tür zugeschlagen, oder es war die Fehlzündung eine Motors. Sie wusste es nicht und wagte nicht, den uralten Mann zu fragen.
    Noch nie hatte sie so schreckliche Angst gehabt.
    Als sie den alten Mann anschaute, trafen sich ihre Blicke.
    »Wer sind Sie?«, fragte Lilly.
    Der Mann musterte sie mit einem Ausdruck, als wäre sie verrückt. Dann reckte er die Schultern und streckte das Kinn vor. »Ich bin Great Cygne.«
    »Vorhin haben Sie mich mit einem Namen angesprochen. Was war das für ein Name?«
    »Odette.«
    »Und wo bin ich hier?«
    Er schaute sie wieder ungläubig an. »Das ist Faerwood.«
    »Wohnen Sie hier?«
    Der alte Mann blickte ins Leere. Einen Moment sah es so aus, als würde er einschlafen. Dann erzählte er Lilly eine unglaubliche Geschichte.
    Lilly erfuhr, wer der Mann war und was er alles erlebt hatte. Sein richtiger Name war Karl Swann. Er war ein weltbekannter Magier gewesen, der bei großen Meistern in die Lehre gegangen war und berühmte Kollegen beraten hatte. Vor vielen Jahren war ihm bei einem Zaubertrick eine Panne passiert, und er hatte sich versehentlich selbst erhängt. Er erzählte Lilly weiter, dass sein Sohn Joseph ihn seit über zwanzig Jahren in diesem Raum gefangen halte, doch jetzt ginge es ihm viel besser und er sei bereit, wieder in der ganzen Welt aufzutreten. Er sagte, in dieser Nacht werde Great Cygnes größter Triumph präsentiert, das Feuerinferno.
    Lilly versuchte, das alles zu verarbeiten. Zwanzig Jahre. Sie schaute sich um. Überall in dieser Rumpelkammer standen Schrankkoffer, Holzkisten und zerbrochene Möbel. An einem Ende stand ein großes Krankenbett mit schmutzigen Laken. Auf den Kommoden stapelten sich Tabletts mit Essensresten. Überall lagen zerfetzte Seide, verbogene Ringe, verrostete Becher und zerrissene Spielkarten. Die Wände waren mit alten Postern und vergilbten Zeitungsausschnitten übersät.
    »Erinnerst du dich an die Zeit, als wir in Tulsa gespielt haben?«, fragte er. »Erinnerst du dich an Harwelden?«
    Lilly schüttelte den Kopf. Eben hatte der alte Mann ihr noch ganz vernünftig von seinem Leben erzählt, und

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