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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Zweigstellen, doch Swann bevorzugte die Zentrale in der Vine Street. Der Grund dafür war ihre Größe; sie war so riesig, dass jeder Besucher vollkommen an Bedeutung verlor. Und er bevorzugte sie wegen der großen Auswahl.
    Die Bibliothek zog auch Ausreißer an. Dieser Ort garantierte eine gewisse Anonymität, und im Sommer spendete die Klimaanlage angenehme Kühle. Auf der Avenue, die sich von der City Hall bis zum Kunstmuseum erstreckte, fielen sie im Sommer zwischen den vielen Studenten und Touristen kaum auf. Ortsansässige sah man hier selten auf den Bürgersteigen des Benjamin Franklin Parkway, der breiten Allee, die nach dem Vorbild der Champs-Élysées in Paris angelegt worden war. Im Sommer wimmelte es hier von Touristen.
    Swann gehörte zu den Stadtbewohnern, die häufig hierherkamen. Er suchte nicht nur die Bibliothek auf – auch das Rodin Museum, das Franklin Institute und die Treppen des Kunstmuseums, die ihn an die Scalinata della Trinità dei Monti erinnerten, die Spanische Treppe in Rom. Hier wie dort aßen die Leute auf den Stufen ihre Snacks, flirteten, träumten und fotografierten.
    Doch für die Kinder der Nacht war die Bibliothek ein Ort, an dem sie ein paar ruhige Stunden verbringen konnten. Solange man sich still verhielt und den Eindruck erweckte, als würde man studieren oder bestimmte Bücher suchen, wurde man von niemandem belästigt.
    Das war der Grund, warum Swann bei seiner Suche selten ohne Konkurrenten blieb, ganz gleich, an welchem Ort er sich aufhielt. Es gab andere, viele andere, die er im Laufe der Jahre gesehen hatte. Männer, die niedere Motive hierherführten. Männer, die zu lange vor Toiletten oder Fast Food-Restaurants in der Nähe von Schulen herumlungerten. Männer, die in den Vorstädten in ihren Wagen saßen, Straßenkarten zur Tarnung in der Hand, Seiten- und Innenspiegel so eingestellt, dass sie freien Blick auf Bürgersteige und Spielplätze hatten.
    Da, genau in diesem Augenblick – der Mann an den Regalen mit den Biografien. Er war jünger als Swann, vielleicht Ende zwanzig. Er hatte langes dünnes Haar, das er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und unter den Kragen seines Hemdes gesteckt hatte. Swann erkannte den Mann an seinem wollüstigen Grinsen, seiner Körperhaltung und den unruhigen Händen. Der Mann beobachtete verstohlen ein junges Mädchen an einem der Bestandscomputer. Das Mädchen sah entzückend aus in seiner pinkfarbenen Jeans und dem dazu passenden T-Shirt, doch es war viel zu jung. Der Mann glaubte vielleicht, er sei für andere unsichtbar, vor allem für die Mädchen selbst. Doch Swanns Blicken entging er nicht. Swann konnte die Widerwärtigkeit der Seele dieses Mannes von Weitem riechen. Er hätte den Hurensohn am liebsten in die Welt einer besonders grausamen Täuschung namens Strobika befördert, ein wunderbar schockierender Effekt, bei dem unter anderem spitze Dornen zum Einsatz kamen.
    Swann beruhigte sich. Für so etwas hatte er jetzt keine Zeit, und es war auch gar nicht nötig.
    Dieser Mann war ganz anders als er. Dieser Mann war ein Raubtier, ein Päderast, ein Krimineller. Es gab kaum etwas, was Swann wütender machte.
    Als er über die Monate hinweg die einzelnen Teile in sein geistiges Puzzle einfügte, hatte er oft über das Schicksal derjenigen nachgedacht, die er nicht ausgewählt hatte und die daher nicht wussten, wie knapp sie dem Schicksal entkommen waren, ein Teil seines Rätsels zu werden, ein Teil seiner Geschichte.
    Wenn man bedachte, was Swann vorhatte, war das Auswahlverfahren einfacher, als man hätte meinen können. Oft führte schon ein einziger Gang durch das Computerzentrum der Bibliothek, wo die Nutzer sich ins Internet einloggen konnten, zu interessanten Ergebnissen. Ein Blick auf das, was jemand sich im Internet anschaute, sagte viel über die jeweilige Person aus. Wenn Swann dann einen Aufhänger brauchte, konnte er sich das Thema dieser Recherchen ins Gedächtnis rufen und es in ein Gespräch einfließen lassen. Eine erfolgreiche Strategie.
    Swann schaute auf die Uhr und warf dann einen Blick auf die Zeitschriftenständer auf der anderen Seite des Raumes. Plötzlich fiel Sonnenlicht durch die hohen Fenster – und da sah er sie. Ein neues Mädchen, das in einer Ecke lässig in einem Sessel saß. Sein Herz setzte einen Schlag aus.
    Sie war um die siebzehn, eine Amerikanerin mit pechschwarzem Haar und asiatischen Wurzeln, vielleicht japanischer Abstammung. Sie hatte einen leichten Überbiss und presste die

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