Byzanz - Konstantinopel - Istanbul
(türk.
Sultan Selim I. Camii
bzw.
Yavuz Selim Camii
). In ihrer exponierten Lage auf dem fünften Stadthügel scheint sie geradezu über die Stadtteile Fâtih und Fener zu wachen.
Da Selim I., den man sicher nicht als friedliebend bezeichnen kann, während seiner achtjährigen Herrschaft nahezu ständig
in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt war, bei denen er u. a. Teile Persiens, Syriens und des nördlichen Zweistromlandes
einnahm, blieb ihm wenig Zeit, sich um den heimischen Städtebau zu kümmern. So verwundert es kaum, dass kein einziges repräsentatives
Bauwerk Istanbuls auf ihn zurückgeht, nicht einmal »seine« Moschee. Den Auftrag zum Bau der Sultan Selim I.-Moschee, die 1522
fertiggestellt war und zu einem Gesamtkomplex mit Tabhane, Schule, Armenküche, Hamam sowie Türben verschiedener hochrangiger
Persönlichkeiten gehörte, erteilte sein Sohn und Nachfolger Süleyman I. Kanunî (»der Prächtige«) zu Ehren seines Vaters. Sicherlich
nicht jedem erschien Selim, der den Beinamen »der Grausame« erhielt, als würdiger Nachfolger, schließlich ließ er nicht nur
seine Brüder und Neffen und vermutlich seinen Vater ermorden, sondern auch in geradezu regelmäßigen Abständen seine Großwesire.
Wenngleich es sicherlich nicht angemessen wäre diesen Bau als reine Kopie zu bezeichnen, so greift der Bauplan dennoch nahezu
die gesamte Konzeption der Beyazıt II. Moschee von Edirne auf. Auffallender Unterschied ist allerdings die größere Kuppel,
die dem Gesamteindruck ein Stück weit ein eigenes Gepräge gibt. Das weitläufige Ensemble von Stiftungsbauten und Moschee gilt
gemeinhin als das Werk des persischen Architekten Acem Ali, was jedoch nicht gesichert ist.
Der durch starke Stützmauern umschlossene Stiftungskomplex verfügt im Ganzen über drei Zugänge; einer davon, das
Türbe Kapısı
genannte Tor, liegt im Süden, ein weiterer erschließt den Bezirk von Nordwesten her, der dritte, das
Çarşı Kapısı
, befindet sich im Westen. Der 35 × 25 m große Vorhof mit seinen von Kuppeln bedeckten Kolonnaden, den aus unterschiedlichem
Marmor und Granit gearbeiteten Säulen sowie den polychromen Bögen gehört zu den attraktivsten |96| der Stadt. In seiner Mitte befindet sich ein achteckiger, von mehreren Zypressen umrahmter Şadırvan (Brunnen) aus der Zeit
Murads IV. Der quadratische, einschließlich seiner Seitentrakte 30 × 30 m messende Betsaal der Sultan Selim I.-Moschee ist
entsprechend der
Kıbla
(der vom Koran vorgeschriebenen Gebetsrichtung der Muslime zur Kaaba in Mekka) ausgerichtet. Betreten wird die Moschee durch
ein im Nordwesten des Baus gelegenes Portal mit einer kunstvoll ausgebildeten Muquarnas, eines Stalaktitgewölbes, |97| im oberen Winkel des Spitzbogens. Den Hauptraum überspannt eine einzelne große, 32,50 m hohe Pendentifkuppel, deren Gewicht
auf vier in das Mauerwerk integrierten Bögen lastet. Jeweils vier mehrflügelige Fenster in den Außenwänden sorgen für eine
angemessene Beleuchtung des Baus; eine unmittelbar unterhalb der Kuppel umlaufende Reihe von kleineren, bunt verglasten Rundbogenfenstern
scheint in erster Linie dekorativen Zwecken zu dienen. Das Mauerwerk im Innenraum ist offenliegend und weist mit Ausnahme
einiger Inschriftenmedaillons, die den Namen Allahs, des Propheten Mohammed und der ersten vier »rechtgeleiteten« Kalifen
tragen, kein aufwendiges Schmuckwerk auf. Kunstvolle Muquarnas dekorieren dagegen die obere Umrandung des Mihrab, die marmorne
Kanzel zu ihrer Rechten zieren in roter, schwarzer und goldener Farbe hervorgehobene Arabesken. Eine verhältnismäßig große,
ebenfalls aus Marmor gefertigte Sultansloge nimmt die Ostecke des Raums ein. Diese entstand um die Mitte des 16. Jhs. und
war nur von außen, über einen in der nordwestlichen Gebäudemauer baulich integrierten Treppenaufgang, zugänglich.
|96|
Die Architektur der Sultan Selim I.-Moschee wirkt trotz zahlreicher Kuppelüberdachungen eher sachlich und schlicht.
|97| Beidseitig an das Hauptgebäude der Sultan Selim I.-Moschee angesetzt sind die im Grundriss quadratisch angelegten Gästehäuser
des Stiftungskomplexes. Jeder der beiden Gebäudeteile verfügt über neun überkuppelte Bereiche, die zusammengenommen eine kreuzförmige
Zentralhalle sowie vier separate, seitlich davon abgehende Raumsegmente bilden. Zwei schlanke Minarette mit Muquarnasdekor
befinden sich seitlich des vorgelagerten Hallenhofs, jeweils in direkter
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