Byzanz - Konstantinopel - Istanbul
Palasts und die erweiterten Bedürfnisse des Hofstaats dehnte
sich der Palast nach und nach aus. Mit einer Gesamtgrundfläche von über 70 ha und einer Einwohner- bzw. Beschäftigtenzahl
von bis zu 4000 Personen (Mitte 17. Jh.) erreichte die Anlage schließlich die Ausmaße einer kleineren bis mittleren Stadt
in der Stadt.
Das »
Bab-ı Hümayûn
« genannte erste Palasttor besteht bereits seit Mehmet II. und bildet heute den Zugang zur Palastanlage für die Touristen.
Ein wesentliches Element des Palastkomplexes bilden vier hintereinander angeordnete Höfe, die jeweils durch eigene Tore erschlossen
werden und noch auf Mehmed II. zurückgehen. |120| Ursprünglich waren alle Bauten (wie die zahlreichen in alttürkischer Tradition errichteten Pavillons mit offenen Loggien)
aus Holz. Nach den großen Bränden von 1574 und 1665 wurden sie aus Stein nachgebaut. Durch das erste Palasttor, das sog.
Bab-ı Hümayûn
, gelangte man in den Ersten Hof, in dessen seitlicher Bebauung vorwiegend Räumlichkeiten für Dienstleistungen untergebracht
waren. Auf dem parkähnlichen Platz selbst wurden Paraden abgehalten, und in einer großen Zeltstadt waren die Janitscharen
des Sultans untergebracht. Darüber hinaus beherbergte der Erste Hof, der für jedermann zugänglich war, ein Hospital, Arsenale
und die Wirtschaftsgebäude. Heute sind von der ursprünglichen Bebauung noch ein Wasserturm sowie ein Richtblock (für die zum
Tode verurteilten Würdenträger des |121| Reichs) erhalten. Hierzu gehört auch der sog. Henkersbrunnen (
Cellat Çeşmesi
), der rechts neben dem nächsten Tor in der Mauer eingelassen ist. Bereits im 19. Jh. galt er als eine gerne bestaunte, makabre
Touristenattraktion. Er diente den Scharfrichtern dazu, nach getaner Arbeit, die unmittelbar vor dem Brunnen stattfand, Schwert
und Hände zu reinigen. Bevor der deutsche Kaiser Wilhelm II. 1889 das erste Mal die Stadt besuchte, ließ Abdülhamid die Anlage
entfernen. Aufgestellt wurde sie an dieser Stelle erst wieder nach Gründung der Republik Türkei.
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Einer der bezauberndsten Pavillons des Palastes ist der sog.
Bağdat Köşkü
, den Murad IV. 1639 in Erinnerung an seinen erfolgreichen Bagdad-Feldzug errichten ließ.
|121| Den Zweiten Hof erreicht man durch das Mittlere Tor, das sog.
Bab-üs Selâm
. Nur dem Sultan war es gestattet, dieses Tor nicht nur zu Fuß, sondern auch hoch zu Ross zu durchqueren. Dieser Bereich diente
als politisches Zentrum des Palasts und beherbergte neben zahlreichen verschiedenen Verwaltungs- und Staatsräumen den Marstall,
einen Versammlungsraum, die Innere Schatzkammer, die Unterkünfte der Lanzenträger und der Leibgarde des Sultans sowie die
umfangreich ausgestattete Waffenkammer. Zugänglich war er nur im dienstlichen Rahmen. Auf der Ostseite des 160 × 130 m großen
Hofs war über die gesamte Länge die Palastküche untergebracht, in der etwa 1200 Köche arbeiteten, die an hohen Festtagen bis
zu 6000 Mahlzeiten zubereiteten. Der langgestreckte Trakt wurde bereits unter Mehmed II. errichtet und im 16. Jh. von Sinan
restauriert, der, bevor er sich dem Bau großer Moscheen widmete, militärische Anlagen und Profanbauten plante. Gemäß zeitgenössischen
Quellen sollen hier auch mehrere kleine Brunnen gestanden haben und zahme Gazellen und Pfauen durch die Gartenanlagen stolziert
sein. Während der Sultan anwesend war, herrschte in diesem Bereich striktes Redeverbot. Im Süden befand sich das
Meyit Kapısı
, das »Tor des Todes«, durch welches die Verstorbenen ihren letzten Weg aus dem Palast nahmen. Weithin sichtbar ist der 41
m hohe »Turm der Gerechtigkeit«, der von einem achteckigen Kegeldach gekrönt wird und von dem aus man die blutigen Hinrichtungen
im Hof verfolgen konnte.
|122| Das
Bab-üs Saade
(»Tor der Glückseligkeit«) führt in den Dritten Hof, den inneren Palastbereich. Dieser durfte nur mit ausdrücklicher Genehmigung
betreten werden. Hier befand sich das
Arz Odası
, der Thron- und Audienzsaal für Empfänge der höchsten Staatsbediensteten, der Wesire und ausländischer Gäste. Auch die Inthronisierung
der Sultane wurde in diesem Palastbereich vorgenommen. Zu beiden Seiten des Tors war die Palastschule untergebracht, an der
der Nachwuchs für höhere Staats- und Verwaltungsberufe ausgebildet wurde. Für diese wurden aus dem gesamten Reich durch die
sog. »Knabenlese« (
devşirme
) intelligente Jungen ausgesucht und in der Palastschule von weißen
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