Byzanz
wusste er es. Sanfter Mut ist die stille Kraft der Heiligen.
»Setz dich zu mir«, bat Demetrios, der nicht ahnte, welche Gedanken seinen Bruder beherrschten. Zu beider, auch zu seinem eigenen Erstaunen nahm er plötzlich die Hand des langsam Genesenden und küsste sie, dann legte er sie sacht auf die Bettdecke zurück. Die unbeholfene Geste des Bruders rührte Demetrios.
»Was wünschst du dir?«, fragte der Ältere.
»Ich hab doch alles.«
»Was willst du werden?«
Traurig hob Demetrios die Hand. »Mit der Malerei ist es ja nun vorbei. Erzähl mir von Bursa, bitte.«
Und Loukas beschrieb die Stadt, die Moscheen, die Kirchen, die Synagoge, die Häuser und die freundlichen Menschen, und dann begann er, von Jakubs Familie zu schwärmen.
Die Augen des Jüngeren leuchteten. »So eine Familie wünsche ich mir auch.«
»Jakub wird dich in seine Familie aufnehmen.«
»Meinst du?«
»Ja. Da bin ich sicher. Aber eines musst du mir versprechen!«
»Alles, was in meiner Macht steht. Das ist freilich nicht viel.«
»Mach seinen schönen Töchtern nicht den Hof, das nähme er dir übel.«
Demetrios gluckste, dann verzog er das Gesicht, weil das Lachen ihm Schmerzen verursachte. »Schau mich an – meinst du, jemand, der so aussieht wie ich, kann eine Frau beeindrucken?«
»Das heilt doch alles wieder, Bruderherz. Aber ich glaube, ich muss mit dir ein Gespräch über die Frauen führen. So naiv, wie du bist, verhedderst du dich in jedem Netz, das sie aufstellen, um dich zu fangen.«
»Das willst du tun?«
»Ja, aber jetzt schlaf, schlaf dich gesund.«
Loukas ließ seinen Bruder allein, der mit einem seligen Lächeln einschlummerte, und begab sich endlich zu Eirene.
Lange lagen sie wach und sprachen miteinander und fühlten doch dabei, dass sich zu viele Themen wie Strandgut angesammelt hatten. So viel ging Loukas durch den Kopf, Fragen, auf die er keine Antwort fand, Entscheidungen, für die ihm die Überzeugungen fehlten. Wie sollte er den mächtigen Männern gegenübertreten, die ihn eiskalt und berechnend in den Tod geschickt hatten? Nur eines wusste er: dass er am nächsten Morgen die Witwe des Mannes aufsuchen würde, der an seiner statt enthauptet worden war. Es würde ihm schwerfallen, es graute ihm auch davor, aber dieser Pflicht musste er nachkommen.
Und dann war da noch etwas, das ihm Eirene sagte und das ihn in seiner ganzen Unfassbarkeit überwältigte.
»Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es der liebe Gott zulässt, unser Kind ohne Vater aufwachsen zu lassen.«
Loukas glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Heißt das etwa …«
»… sprich es ruhig aus …«, lächelte sie sanft.
»… dass du schwanger bist?«
Am nächsten Morgen begab sich Loukas zunächst zum Xenon des Kral, dem Hospital, in dem Martina Laskarina tätig war. Es lag auf dem Weg zum Blachernenviertel, wo er der Witwe des Kanzlisten, den man an seiner statt enthauptet hatte, einen Besuch abstatten wollte, bevor er sich beim Kaiser von seiner Mission zurückmeldete.
Im ganzen Kral roch es nach menschlichem Leid, nach eiternden Wunden und Tränen aus Blut. Eine junge Nonne führte ihn in ein kleines Zimmer, in dem nur zwei Schemel, ein Tisch mit geschundener Platte und ein großes Regal mit Manuskripten standen, und bat ihn zu warten. Loukas ließ sich auf einem der Schemel nieder und sah sich um. Durch ein hohes Fenster zwängten sich Sonnenstrahlen. In seiner konsequenten Schmucklosigkeit besaß das Zimmer der Ärztin eine eigene spröde Schönheit. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bevor Martina Laskarina vom Krankenrundgang zurückkam. Sie wirkte zunächst bedrückt, als schlichen ihr die aussichtslosen Fälle nach, schob aber alle Sorgen fort und begrüßte den Kapitän mit geschäftlicher Freundlichkeit. Ohne viel Umschweife kam Loukas direkt zur Sache. Doch so sehr er sie auch bestürmte, so viele Aspekte er auch vorbrachte – die Ärztin schloss kategorisch jede Möglichkeit aus, dass Demetrios’ Finger wieder beweglich würden. Selbst wenn die Gelenke gut verwüchsen, blieben die Finger steif.
»Es ist nicht schön, aber man muss sich damit abfinden. Wir können der Natur helfen, nicht aber sie verändern«, sagte sie.
Mit dieser Antwort konnte und wollte sich Loukas nicht abfinden. Er war sich sicher, dass er die Malerlehre für Demetrios beim Vater durchsetzen könnte, wenn, ja wenn nur die Finger wieder beweglich würden.
»Verzeiht bitte, und seht es nicht als Misstrauen, aber es gibt jüdische und
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