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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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den Byzantinern, aber früher besaßen sie freilich auch Smyrna und Bursa, das zu jener Zeit Prussa hieß, und Adrianopel, das die Türken Edirne nannten. Die Palaiologen berauschten sich noch immer an einer Größe, die längst vergangen war, und verdrängten die Einsicht, dass die Geschichte unbeeindruckt von ihrer früheren Bedeutung über sie hinwegschritt. Eine Liste byzantinischer Städte, die von den Osmanen erobert worden waren, fiele deprimierend lang aus.
    Wenn man mit dem Schiff die Propontis Richtung Ägäis verlassen wollte, passierte man zwangsläufig die Meerenge der Dardanellen, die von den alten Griechen Hellespont genannt wurde. Kaiser Justinian hatte die strategisch so wichtige Stadt zu einer Festung ausgebaut. Vor sechzig Jahren hatten die Türken die Stadt erobert. Die Schwäche des Sultans jetzt auszunutzen und die Stadt anzugreifen bedeutete, die Neutralität aufzugeben und sich Murad zum Feind zu machen.
    Loukas kannte Murad und er wusste, wenn der Sultan siegen sollte, würde er dieses Verhalten den Byzantinern nicht verzeihen. Man hätte auch abwarten können – die übereilte Aktion trug deutlich die Handschrift des Fürsten Angelos und des ihm ergebenen Sphrantzes, den Alexios nahe am Herrscher zu platzieren verstanden hatte.
    Gleich nach seiner Rückkehr suchte Loukas seinen Vater auf. Er fand ihn im Kontor und bat ihn um eine Unterredung unter vier Augen. Nikephoros spürte die Aufregung, die Loukas nur schwer zu beherrschen verstand, und schlug einen Spaziergang vor.
    »Frische Luft wird uns guttun«, entschied der Alte.
    Sie liefen am alten Kaiserpalast, der teils zerfallen war, teils als Lager, teils als Unterkunft für Obdachlose diente, vorbei zur Küste der heiligen Barbara, um schließlich auf den Bosporus hinauszublicken. Zu dieser Jahreszeit glich die See mit den Schiffen und ihren verschiedenfarbigen Segeln einer blühenden Sommerwiese, deren Boden allerdings blau und nicht grün war. Auf dem Weg hatte Loukas dem Vater die Lage geschildert. Der Alte schwieg und dachte nach, während er auf das Meer blickte.
    »Nicht in der Kirche, sondern am Meer habe ich bis heute Rat gefunden. Gegen die Gewalt dessen, was da vor uns liegt, ist alles andere von geringer Bedeutung. Was sind die Stürme der Gesellschaft gegen das Toben der Elemente? Es hilft, die Dinge einzuordnen.«
    »Sollten wir das Gespräch mit Manuel suchen?«, fragte Loukas.
    »Manuel hat sich ins Kloster zurückgezogen, weil er sich von der Bürde der Herrschaft befreien wollte.« Nikephoros schmunzelte. »Allerdings will er das schon seit zwanzig Jahren. Wenn du jetzt ins Kloster gehst, wirst du nicht Manuel, sondern den Mönch Matthaios antreffen.«
    »Können wir denn gar nichts tun?«
    »Wir müssen warten, warten, bis man uns ruft. Aber sag mir, mein Sohn, wird Murad gewinnen?«
    »Ich weiß es nicht, obschon er intelligent und entschlossen ist, trotz seiner Jugend jeder Zoll ein Sultan, aber ganz gleich, wie das Ganze ausgeht, es wird zu Unordnung und Chaos führen.«
    Der alte Seeräuber nickte. »Eine Zeit der Wirren zieht herauf. Die Palaiologen werden uns brauchen. Lass uns abwarten, aber unsere Spitzel am Hof weiter bezahlen. Manuel wird eines Tages eingreifen – und wenn es über die Kaiserin Helena erfolgt.«
    »Inzwischen sollten wir einen Teil unserer Geschäfte nach Galata verlagern«, schlug Loukas vor.
    Nikephoros nickte zustimmend. »Und einen Teil unseres Geldes bei den Banken in Genua deponieren. Wir müssen auf alles vorbereitet sein. Schau dir den jungen Draperio an. Ich habe inzwischen verlässliche Erkundigungen über ihn eingeholt. Er stammt aus kleinen Verhältnissen, ist ehrgeizig, skrupellos und geschickt. Er könnte zu einer Maske unserer Geschäfte werden.«
    Loukas sah seinen Vater erstaunt an. Er bewunderte ihn dafür, dass er sich von gefährlichen Wendungen nicht beeindrucken ließ, sondern alles gründlich bedachte und nichts unerledigt ließ. Doch zum ersten Mal ging ihm auch der Gedanke durch den Kopf, dass für das Handelshaus Notaras auch die Möglichkeit bestand, sich unter türkischer Ägide niederzulassen. Seine erste Loyalität gehörte schließlich der Familie, nicht einem wetterwendischen Kaiser. Christ konnte er auch unter der Herrschaft des Turbans sein, das hatte er auf seinen Reisen erfahren.
    Würden sie eines Tages Konstantinopel verlassen müssen? Noch kam ihm die Frage hypothetisch vor, doch sie konnte sich rascher stellen, als ihm lieb war, und dann würde es

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