Byzanz
arabische Ärzte, die wahre Wunder vollbringen sollen.«
Martina stöhnte. Man sah ihr an, dass sie die Diskussion zunehmend als Anschlag auf ihre knapp bemessene Zeit empfand. »Ein Arzt wie Jesus Christus könnte es. Aber Ihr sagtet es bereits: Es käme einem Wunder gleich. Selbst wenn Ihr jemanden finden würdet, und derjenige wäre kein Scharlatan, der alles nur noch schlimmer machen …«
»Was kann denn schlimmer sein?«
»Dass wir wegen eines Wundbrandes die ganze Hand oder den Arm amputieren müssten.«
Loukas verschlug es die Sprache.
»Außerdem läuft Euch die Zeit davon. Ihr müsstet die Brüche, die gerade verwachsen, erneut brechen. Wollt Ihr das?«
Den Kapitän hatte die Hoffnung auf Heilung zu der berühmten Ärztin getrieben, aber dem Bruder Schmerzen zuzufügen mit dem Ergebnis, dass es noch schlimmer kommen konnte, als es ohnehin schon war, das kam für ihn nicht in Betracht. So bedankte er sich bei Martina Laskarina, setzte bedrückt um eine große Hoffnung ärmer seinen Weg ins Blachernenviertel fort und dachte darüber nach, was er für seinen Bruder tun könnte. Ein Bettler belästigte ihn. Er vertrieb ihn mit groben Worten, denn er ärgerte sich darüber, aus dem Gang seiner Gedanken gerissen worden zu sein. Es sollte nicht der einzige bleiben. Die Bettelei in Konstantinopel entwickelte sich zu einer Landplage, denn es wurden immer mehr zerlumpte Gestalten, die um eine milde Gabe baten und die Hand aufhielten. Wenn der beunruhigende Anstieg der Bedürftigen anhielt, würden eines Tages Soldaten sie vor den vielen Armen der Stadt schützen müssen. Bereits jetzt bevölkerten sie schon die Kirchentüren, die Klostertüren, die Märkte und Hauptstraßen. Damit in Zusammenhang stand ein besorgniserregender Anstieg von Diebstählen, Betrügereien und Raubmorden.
Als er endlich vor dem kleinen Haus des Kanzleiangestellten stand, wurde er Zeuge, wie fünf Männer eine schmale Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm und einem schreienden Dreijährigen am Rockzipfel auf die Straße zerrten. Der Kapitän gebot den Männern, die Frau loszulassen. Ihre Augen wirkten tot, so bar waren sie jeder Hoffnung. Es stellte sich heraus, dass die Witwe des Kanzlisten die Wohnung räumen musste, damit ein neuer Angestellter der Kanzlei dort einziehen konnte. In die Trauer mischte sich die Verzweiflung. Wo sollte sie jetzt hin? Wer würde sie und ihre Kinder ernähren? Treu hatte ihr Mann dem Kaiser bis in den Tod hinein gedient. Und nun kümmerte sich niemand um seine Frau und seine Kinder.
»Gute Frau«, sagte er, »mein Name ist Loukas Notaras. Dein Mann ist ein Held.«
Kalt schaute sie ihn an. »Das bewahrt seine Kinder nicht vor dem Hungertod oder seine Frau vor der Schande.«
»Ich stehe tief in der Schuld deines Mannes, in deiner Schuld und in der Schuld deiner Kinder. Nichts bringt deinen Mann zurück, nichts macht das, was vorgefallen ist, ungeschehen. Ich möchte dich sehr, sehr bitten, Wohnung in unserem Palast zu nehmen. Um die Ausbildung deiner Kinder kümmere ich mich. Ich werde mich beim Kaiser dafür verwenden, dass du eine Leibrente erhältst.«
Die Frau erbleichte. »Reicht es nicht, dass mein Mann tot ist? Müsst Ihr uns auch noch verspotten?«
»Ich schwöre, so wahr ich Kapitän der kaiserlichen Marine bin, dass mein Angebot vollkommen ernst gemeint ist. Ich kann dir deinen Mann nicht zurückbringen, das ist wahr, aber ich kann euch helfen.« Die Witwe verstand allmählich, dass der Kapitän sie nicht verhöhnen wollte. Unschlüssig blickte sie zu ihren Kindern, zu ihrer Wohnung im ersten Stock hinauf, die sie verloren hatte, dann zu Loukas. »Ich nehme Euer Angebot um der Kinder willen an, aber ich kann Euch nicht danken, Herr.« Dann schloss sie die Augen, und eine Träne lief ihr aus dem Winkel die Wange hinunter.
»Das musst du auch nicht.« Er befahl den Männern, der Frau Zeit zu lassen, ordentlich ihre Sachen zu packen und am Nachmittag die Halbseligkeiten der Witwe in den Palast der Notaras zu bringen.
42
Kaiserpalast, Konstantinopel
Im Palast hatte Loukas allerdings kein Glück. Kaiser Manuel II., hieß es, habe sich als Mönch Matthaios in das Pantokratorkloster zurückgezogen, und Johannes VIII. würde ihn, wenn er seiner bedürfe, rufen lassen. Feiglinge, dachte Loukas. Allerdings wurde ihm eine Audienz beim neuen Geheimsekretär des Kaisers angeboten.
»Und wer ist das?«, fragt Loukas den Offizier der Palastwache.
»Herr Georgios Sphrantzes.«
Loukas schluckte,
Weitere Kostenlose Bücher