Byzanz
nicht mehr zu tätigen und abzusichern wären. Außerdem würde durch eine Partnerschaft mit Francesco Draperio, der sich dem alten Notaras vorgestellt hatte, frisches Geld in die Firma fließen, wodurch man den Aktionsrahmen vergrößern könnte.
Die dunklen, warmherzigen Augen des Kapitäns wurden auf einmal kalt, frostig wie der Zweifel, der sein Herz berührte.
»Rätst du mir das wirklich, obwohl du weißt, dass ich es nur Gott allein verdanke, in buchstäblich letzter Sekunde aus der Gefahr gerettet worden zu sein, in die mich Johannes getrieben hatte? Sie haben mich benutzt!«
»Dann lerne, sie zu benutzen!«, sagte der Alte hart. »Die Welt mag allerhöchstens Höflichkeit aufbringen, aber nicht Warmherzigkeit und schon gar nicht Verantwortung. Unser Erfolg gebiert beständig auch Neider, die uns zu schaden trachten. Vielleicht hätten wir nie so groß werden dürfen, wir sind es aber, deshalb gibt es für uns nur eine Alternative: wachsen oder untergehen.«
Misstrauisch blickte der Sohn zum Vater. Versuchte ihn der Alte gerade zu manipulieren? Hatte er es vielleicht immer schon getan, und er selbst hatte in seiner arglosen Kindesliebe die Ränke des alten Seeräubers nicht bemerkt? Loukas grub nach den Fundamenten seines Lebens, und die Stützpfeiler gaben nach. Wie bei der Hagia Sophia, dachte er, die nur aus Pfusch bestand und deshalb längst eingestürzt wäre, wenn der Glaube sie nicht wie ein Versprechen halten würde.
»Es ist dein Erbe. Ich kann dich nur beraten, aber die Entscheidung musst du selbst treffen«, sagte der Alte zurückhaltend.
»Und was ist mit Demetrios? Hat der auch eine freie Entscheidung?«
Nikephoros sackte plötzlich in sich zusammen, als habe ihm jemand das Rückgrat aus dem Körper gezogen wie das Skelett eines Tintenfisches. »Ich habe Gott um Verzeihung gebeten«, murmelte er.
»Hast du auch deinen Sohn um Verzeihung gebeten?«
Nikephoros benutzte seine nach vorn gedrehten Handflächen wie Schutzschilde. »Er hatte Strafe verdient. Du hast nicht das Recht, mich zur Rede zu stellen!«
Loukas schlug sich erneut mit den Händen auf die Beine, diesmal aber kräftiger. So wollte er das Gespräch, das im Streit zu enden drohte, nicht fortsetzen. Sein Vater, so viel begriff er zumindest, war noch nicht bereit, über seine Schuld zu reden.
»Gute Nacht, Vater«, sagte er kühl und erhob sich.
»Für Demetrios ist gesorgt!«, sagte Nikephoros. Der Kapitän warf seinem Vater einen fragenden Blick zu.
»Jakub Alhambra wird seinen Sohn zu uns in die Lehre geben.«
Loukas nickte ungeduldig. Das war nichts Neues, schließlich hatte er das ja ausgehandelt.
»Im Gegenzug wird Demetrios in Bursa bei Jakub Alhambra lernen.«
»Du schickst ihn fort?« Loukas wusste nicht, ob er entsetzt oder empört sein sollte.
»Er braucht Luftveränderung.«
Loukas schüttelte den Kopf. »Du willst nur verhindern, dass Demetrios wieder zu Dionysios geht.«
Der alte Seeräuber lachte bitter auf. »Drei Finger seiner rechten Hand bleiben gelähmt. Mit dem Malen ist es ohnehin vorbei.«
Jetzt begriff der Kapitän, dass die Situation auswegloser war, als er vermutet hatte. Ihn überfiel das lähmende Gefühl einer großen Vergeblichkeit, nun, da er die ganze Wahrheit sah. Nikephoros Notaras ertrug den Anblick seines jüngeren Sohnes nicht mehr, vielleicht niemals mehr, weil er ihn stets an seine Schande erinnerte, an seine Unbeherrschtheit, an den Ausbruch der Gewalt. Er wollte einfach vergessen, dass er ihn totgeschlagen hätte, wenn Eirene nicht beherzt dazwischengetreten wäre.
»Empfindest du gar kein Mitleid für deinen Sohn, sondern nur für dich?«
»Wir haben einander erlebt, wie niemals ein Sohn seinen Vater und ein Vater sich selbst erleben sollte.«
»Ich brauche Zeit. Wir alle benötigen Zeit«, sagte Loukas leise und verließ das Arbeitszimmer.
Er folgte tief in Gedanken versunken dem Gang. Vor der großen braunen Facettentür seines Bruders blieb er unschlüssig stehen, dann klopfte er an und trat ein. Demetrios schien geschlafen zu haben. Er öffnete das linke Auge, das nicht zugeschwollen war, und lächelte, als er seinen Bruder erkannte. Zum ersten Mal entdeckte Loukas die Stärke, die in der Sanftheit des Jüngeren lag und der er zu Unrecht mit einer freundlichen Herablassung begegnet war. Plötzlich verstand er das Wort, das er immer für widersinnig hielt: Sanftmut. Denn er hatte sich immer gefragt, wie so etwas Gegensätzliches wie Mut und Sanftheit zusammengingen. Nun
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