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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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aufzubauen …«
    »Du, Vater!«, warf Loukas lachend ein.
    Der Alte schmunzelte amüsiert. Dann übte er sich in einer herrlich schlitzohrigen Bescheidenheit, für die man ihn einfach lieben musste.
    »Mein Vater, mein Onkel, mein Bruder, Gott hab sie alle selig, haben dieses Geschäft zum Blühen gebracht. Ja, ja, ja, ich weiß: Gott liebt nicht die, die mit ihrer Bescheidenheit prahlen. Deshalb gebe ich zu, auch einen gewissen Anteil am Erfolg des Handelshauses Notaras beisteuern zu dürfen. Aber ganz gleich, wem die Ehre gebührt, wir, lieber Francesco, Ihr, mein Sohn und ich, werden mit unseren Kontakten, mit unseren Erfahrungen und Eurem Geld das gemeinsame Unternehmen zum Erfolg führen. Ihr habt uns darum gebeten, auch in den Handel mit Stahl und Waffen einzusteigen.«
    Draperio nickte selbstbewusst. »Darin liegt die Zukunft. Waffen werden mehr denn je gebraucht. Sie sind verkäuflich wie Weizen, nur zu besseren Konditionen – und sie verderben nicht. Ich habe eine Nase für gute Geschäfte!«
    »Und ich die Verbindungen dafür«, triumphierte der Alte. Er machte ein nachdenkliches Gesicht, doch wer Nikephoros gut kannte, wusste, dass er den Grübelnden lediglich spielte. »Ergibt sich nur noch eine Frage: Welchen Schiffsversicherer empfehlt Ihr eigentlich? Gibt es überhaupt einen ehrlichen Versicherer?« Während er darauf wartete, dass Draperio ihm ins Netz ging, lachten seine Augen vor Vergnügen, denn er hielt alle Versicherer für Gauner.
    »Doch, einen«, verkündete Draperio stolz, dann stöhnte er theatralisch. »Aber der ist pleite.«
    Nikephoros, was der Siegreiche bedeutete, stimmte mit seinem dröhnenden Bass ein bukolisches Gelächter an, Loukas lachte kurz, aber herzlich auf, seine Frau Eirene verbarg ihr Unwohlsein hinter einem Lächeln. Draperios Gemahlin Aureliana wirkte etwas gelangweilt, so als hätte sie diesen Witz schon tausendmal gehört.
    »Auf das Geschäft«, sagte Loukas und hob den Goldpokal, der mit einem Roten aus Galata gefüllt war. Nachdem sie angestoßen und wieder Platz genommen hatten, wollte Loukas seinem Vater einen anerkennenden Blick zuwerfen, doch dieser wirkte wie ausgewechselt. Die Mundwinkel fielen missmutig nach unten. Mit seinen hervorstehenden Augen und den plötzlich erschlafften Wangen ähnelte er in diesem Moment einer Robbe.
    »Eine Brühe, dass man nicht einmal die Hand vor Augen sieht«, brummte Nikephoros. Der Alte hatte zum Fenster geschaut, und statt die erhabene Architektur der Hagia Sophia genießen zu können, ertrank sein Blick nur in Nebelschwaden. Eine fremde, bis dahin unbekannte Melancholie verdunkelte seine Augen, als habe er Gäste und Familie vollkommen vergessen. Blicklos starrte er vor sich hin. Dabei galt der alte Seeräuber eigentlich als nüchterner Mann, der weder zur Traurigkeit noch zur Nachdenklichkeit neigte. Niemals zuvor hatte er einen Stimmungsumschwung Fremden gegenüber verraten. Ins Herz ließ er sich von niemandem schauen. Zeige anderen gegenüber nie deine wahren Gefühle, hatte er seinen Söhnen von klein auf eingebläut. Wurde der Vater alt?, fragte sich Loukas mit wachsender Unruhe. Oder nagten die Schuldgefühle für das, was er seinem jüngeren Sohn angetan hatte, so stark an ihm?
    »Unheimlich das«, stimmte Thekla ihrem Mann zu. »Wirklich unheimlich das«, wiederholte sie, ihre Worte dehnend, als würde sie dadurch den wohligen Schauer verlängern, den die Erwartung, gleich einem Wiedergänger zu begegnen, auslöste. Dann seufzte sie tief und legte eine wirkungsvolle Pause ein, bevor sie ein wenig nervös mit dem kleinen Finger der linken Hand über die Augenbraue strich. »Es heißt, der Nebel bestünde aus den Seelen der Frevler, die keine Ruhe finden.«
    »Wir werden den Weg zur Kirche schon finden«, sagte Loukas unwillig. »Und, Mutter, sooft ich im Nebel bereits unterwegs war, ich bin noch mit keiner Seele dabei zusammengestoßen«, fügte er mit einem Seitenblick auf Francesco Draperio hinzu.
    Die listigen Augen des Genuesen aus Galata flitzten geschäftig von einem zum anderen. Schließlich warf er jovial ein, dass der Nebel ein Kind des Feuchten und des Gasförmigen sei und deshalb immer eine gewisse Zweideutigkeit besäße. Was er damit sagen wollte, wusste er selbst nicht so genau, aber darauf kam es auch nicht an.
    Loukas kannte den gleichaltrigen Genuesen inzwischen gut genug, um sich nicht verführen zu lassen, über die gewichtig klingende, aber inhaltsleere Bemerkung nachzudenken. Francesco liebte

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