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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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konnte.«
    Halil Pascha fuhr mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand in einer mähenden Bewegung an seiner Gurgel vorbei. Der Soldat, der hinter Dschuneid stand, legte von hinten die Seidenschnur um den Hals des Emirs und zog zu.
    In Bursa berichtete Halil Pascha dem Sultan, wie Dschuneid gelebt hatte und wie er gestorben war.
    »Ohne Frage, ein großer, aber auch ein armer Mann«, sagte Murad. »Er hat das Leben eines Toten geführt, weil sein Herz taub war für Allah.«
    Der junge Herrscher ging zur Moschee und wusch sich, um innerlich rein zu werden und seine Sünden, die darin bestanden, dass er den Tod über so viele Menschen brachte, zu bereuen, bevor er das Gotteshaus betrat.
    Er richtete seinen Blick zur quibla. Die Gebetsnische befand sich im Süden der Moschee, denn von dort würde der Weg zur Kaaba nach Mekka führen. Wenige Gläubige hielte sich im Saal auf. Der Sultan genoss die Ruhe, die ihn umfing, er genoss es, dem Lärm der Welt entronnen zu sein.
    Um sich von allen Gedanken zu befreien, sagte er mehrmals: »Gott ist größer.« Als endlich nur noch dieser Satz in seinem Kopf widerhallte, rezitierte Murad: »Preis sei dir, mein Gott, und Lob sei dir! Gebenedeit sei dein Name, und erhaben sei deine Herrlichkeit! Es gibt keinen Gott außer dir! Ich suche meine Zuflucht bei Gott vor dem gesteinigten Satan.« Nun fühlte er sich bereit. Sein Herz und sein Geist öffneten sich ganz der Eröffnungssure des Korans, al-fatiha genannt, die er mit Ergriffenheit sprach. Nachdem er den letzten Vokal hatte ausklingen lassen, verbeugte er sich und legte die Hände auf seine Knie, während er ausstieß: »Gott ist größer – allahu akbar .«
    Murad spürte mit allen Fasern seines Körpers, mit jedem Nerv seines Gehirns, dass er nicht mehr allein war, sondern dass etwas ihn aufnahm. Zum Dank betete er: »Preis sei meinem Herrn, dem Großartigen.« So wie er es gelernt hatte, wiederholte er dieses Gebet dreimal. Bevor er sich wieder aufrichtete, fügte er dem Lobpreis hinzu: »Gott erhört den, der ihn lobt. Gott, unser Herr, Lob sei dir!« Der Sultan, vor dem die Menschen niederzuknien hatten, warf sich jetzt zum Zeichen der Demut vor einem weit höheren Herrn auf die Knie und legte seine Stirn bebenden Herzens auf den Boden. »Gott ist größer«, rief er aus tiefster Seele und verkündete: »Preis sei meinem Herrn, dem Höchsten! Preis sei meinem Herrn, dem Höchsten! Preis sei meinem Herrn, dem Höchsten!« Nun setzte er sich langsam auf die Fersen, und sein Blick durchdrang die Mauern der Moschee, überwand Anatolien und Syrien, die Wüste und sah plötzlich die Kaaba vor sich. »Gott ist größer«, kam es ihm voller Ergriffenheit über die Lippen, so als sei es nicht er, sondern etwas sehr viel Größeres, das da sprach. Von dem Wunder der Vision gepackt, betete er stoßweise, während ihn das Gefühl beherrschte, von den Engeln gewiegt zu werden: »Mein Gott, vergib mir, erbarme dich meiner, leite mich recht, bewahre mich und gib mir meinen Lebensunterhalt! Mein Gott, vergib mir!«
    Jetzt hatte er das Gefühl, rein zu sein und sich Gott so weit genähert zu haben, dass er seine Bitte vorbringen durfte. »Gib mir ein gerechtes Herz und einen wachen Verstand, das Richtige zu tun, deine Rechtleitung stets zu erkennen und sie immer zu befolgen. Lass mich nicht fehlgehen! Für den Herrscher sind die Verführungen groß. Schnell glaubt er, mehr als die anderen Muslime zu sein, dabei ist er doch nur derjenige, der von dir die Verantwortung für sie übertragen bekommen hat. Lass mich ein gerechter und weiser Herrscher sein, darum bitte ich dich in all meiner Gottesfurcht.«
    Inbrünstig betete er im Anschluss die Sure 114 an-nas : »Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen. Sprich: Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn der Menschen, dem König der Menschen, dem Gott der Menschen, vor dem Bösen des Einflüsterers, des Verleumders, der einflüstert in die Herzen der Menschen – ob Dschinns oder Menschen.«
    Einige Minuten verharrte Murad in einer vollkommenen Stille, er hörte und er sah nichts, und auch die Gedanken blieben stumm. Dann stand er auf, verbeugte sich, legte dabei die Hände auf die Knie und sprach: »Alle Ehrbezeugung, Anbetung und Heiligkeit stehen Gott zu. Friede sei dir, o Gesandter, Gnade Gottes und sein Segen. Friede sei auf uns allen und den aufrichtigen Gottesdienern. Ich bezeuge, es gibt keinen Gott außer Gott allein, und ich bezeuge, Muhammad ist der Diener und Gesandte Gottes.«

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