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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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vor dem Sterben. Nicht vor dem Tod, sondern vor dem Sterben fürchteten sie sich, denn über den Tod wussten sie nichts, über das Sterben hingegen alles, weil sie alle Arten, das Leben zu verlieren, bereits gesehen hatten. Keiner kannte das Schicksal, das ihn erwartete, doch eines stand für sie fest: Wer vor dem Kampf zitterte, den würde seine Furcht erschlagen. Der Tod trug die Maske der Angst. Töte die Angst, und du wirst leben, hieß es deshalb unter Rittern und Landsknechten.
    Der Plan, so kühn wie heikel, sah vor, in drei Heeressäulen anzugreifen. Aus dem Charisius-Tor würden die Ritter Hunyadis, verstärkt von byzantinischen Reitern, das Zentrum des Feindes durchstoßen. Rechts und links von ihm sollten die Fußtruppen unter Führung des Kaisers und Alexios Angelos die beiden Flügel des Feindes aufrollen.
    Der Plan beruhte auf dem doppelten Überraschungsmoment. Die erste Überraschung sollte es den Byzantinern ermöglichen, im Augenblick der Formierung über die feindliche Streitmacht herzufallen, in dem sie recht wehrlos war.
    Eigentlich setzte man die Reiterei an den Flanken ein oder hinter den Fußtruppen. So war es Strategenbrauch. Alexios hingegen plante als zweite Überraschung, dass die schnelle Reiterei wie ein Rammbock in das Zentrum des Gegners dringen und das türkische Heer auseinandersprengen würde. Die abgedrängten Truppen konnten gar nicht anders, als den rechten und linken Flügel mit ihrer Panik anzustecken und zu verwirren. Inzwischen hätten die langsameren Fußtruppen die sich auflösenden Reihen der Türken erreicht und würden in geduldiger Handarbeit die Feinde erschlagen.
    Die Strategie des Fürsten hatte schließlich einhellige Zustimmung gefunden, auch wenn er die Schwachstelle des Plans keineswegs unterschlug. Die Aufstellung der Truppen innerhalb der Stadtmauern musste geheim bleiben. Falls die Türken Wind davon bekämen und ihr Heer rechtzeitig in Stellung bringen könnten, würde die erdrückende Übermacht der Muslime den Ausgang der Schlacht entscheiden. Beide Überraschungsmomente würden, so hoffte Alexios, ihre hoffnungslose zahlenmäßige Unterlegenheit ausgleichen und ihnen wenigstens eine Chance auf den Sieg einräumen. Der Rest hing von der Kaltblütigkeit und Entschlossenheit der Kämpfer ab und von der Meisterschaft, mit der sie ihr Handwerk ausführten.
    Die Sache ließ sich gut an. Alexios räusperte sich zufrieden, als die Mobilisierung der Truppen ohne lautere Geräusche vonstattengegangen war. Nun konnte es losgehen!
    Und so läuteten um sechs Uhr morgens alle Glocken der Stadt, die tiefen der Hagia Sophia und die vielen kleineren des Pantokrator-Klosters, mit denen die des Klosters von Konstantin Lips wetteiferten, nicht zu reden von der Vielstimmigkeit der Kirchen von Blachernae, von Deuteron, von Petrion, Exokionion, Triton und Psamathia, von Platea und Xerolophos im Geläut.
    Einmal noch ließ der Fürst den Blick über seine Männer schweifen. »Dass es keinem von euch in den Sinn kommt, zurückzukehren, bevor er nicht zehn Türken in die Hölle geschickt hat! Und wer Christus begegnet, der soll es sich erst im Himmel bequem machen, wenn er uns alle Engel zu Hilfe gesandt hat!« Dann bekreuzigte er sich und sprach das Trishagion: »Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen!«
    Und ein Priester, der sie segnete, murmelte noch: »Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.« Die Priester und Mönche knieten nieder und sangen einen Psalm.
    Die Flügel des Charisius-Tores öffneten sich langsam und zeitgleich die des Kaligaria-Tores und des Romanus-Tores. Eine Gruppe von Mönchen hielt sich dicht bei Alexios. Sie hatten sich vorgenommen, den Kriegern mit Gebeten in die Schlacht zu folgen. Der Anführer der Mönche, ein asketischer Mann mit glühenden Augen, einer hohen, fast gemeißelten Stirn und einer großen spirituellen Ausstrahlung, berührte das Schwert des Fürsten. Alexios sah den Mann, an dessen Kutte der Kuvasz schnupperte, neugierig an.
    »Dir wird eine große Aufgabe zuteil, denn nicht umsonst heißt du nach den heiligen Engeln. Denn höre, Alexios Angelos, es steht geschrieben beim Seher Johannes: ›Dann sah ich einen Engel, der in der Sonne stand. Er rief mit lauter Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel flogen: Kommt her! Versammelt euch zum großen Mahl Gottes. Fresst Fleisch von Königen, von Heerführern und von Helden, Fleisch von Pferden und ihren Reitern,

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