Byzanz
Fleisch von allen, von Freien und Sklaven, von Großen und Kleinen! Dann sah ich das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt, um mit dem Reiter und seinem Heer Krieg zu führen. Aber das Tier wurde gepackt und mit ihm der falsche Prophet; er hatte vor seinen Augen Zeichen getan und dadurch alle verführt, die das Kennzeichen des Tieres angenommen und sein Standbild angebetet hatten. Bei lebendigem Leib wurden beide in den See von brennendem Schwefel geworfen. Die Übrigen wurden getötet mit dem Schwert, das aus dem Mund des Reiters kam; und alle Vögel fraßen sich satt an ihrem Fleisch.‹«
Der Mönch ließ die Worte der Bibel einen Moment lang wirken und fuhr dann mit hoher, blecherner Stimme fort: »Auf dich wird es ankommen, Engel Alexios! Stürze den falschen Propheten Muhammad und werfe seine Anhänger in den See von brennendem Schwefel!« Er bedeutete Alexios, sich zu ihm herabzubeugen. Mit seinem Daumen zeichnete der Mönch ein Kreuz auf die Stirn des Fürsten und sagte: »Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig!«
»Amen«, antwortete der Fürst, setzte sich an die Spitze seiner Truppen und ritt durch die Tore und die Verteidigungsanlagen vor die Stadt. Diesmal würden ihn die Ereignisse nicht zum Rückzug und zur Flucht zwingen. Er konnte es kaum erwarten, endlich die Schlacht zu eröffnen.
Als er das Romanus-Tor passiert hatte und über die Ebene schaute, fühlte er einen Schmerz, als hätte ihn eine stahlharte Faust in die Magengrube getroffen, und ihm entfuhr ein saftiger Fluch. Was er sah, konnte er nur als Hohn empfinden. So grausam durfte Gott die Seinen nicht in ihren Hoffnungen enttäuschen!
Auf der gegenüberliegenden Seite entfalteten sich die Türken, ebenfalls mit der Reiterei im Zentrum. Wie tief waren die Christen denn schon gesunken, sollte ihnen denn gar nichts mehr glücken? Mindestens einer von ihnen musste den Angriffsplan gegen Geld an die Türken verraten haben, in der Hölle möge er schmoren! Der Verräter hatte sich versündigt an Gott, an den Kämpfern, an den Frauen und Kindern von Konstantinopel.
Nun hatten sie nur noch die Wahl, im Kampf von einer erdrückenden Übermacht niedergemacht zu werden oder sich schmachvoll in die Stadt zurückzuziehen. Während seine Leute Aufstellung nahmen, schaute er nach rechts, zur Reiterei. Die Streitmacht des Kaisers verdeckten Hunyadis Leute. Der Schreck saß sicher auch den beiden anderen Heerführern im Nacken. Wofür würden sie sich entscheiden? Zeit für eine Abstimmung untereinander blieb nicht. Hinter den Reihen des Feindes erkannte Alexios die Sturmgeräte, bewegliche Türme, die man an die Mauern schob, um von der obersten Plattform auf die Wehrgänge zu springen, die Rammböcke, die Steinschleudern, manche wohl auch mit Pech gefüllt, das man kurz zuvor in Brand steckte. Die Türken würden auf alle Fälle angreifen, ganz gleich, ob die Byzantiner den vergeblichen Angriff oder den schmählichen Rückzug wählten. Der Fürst zweifelte nicht daran, dass ein Rückzug die eigenen Kämpfer deprimieren, einige sogar demoralisieren und den Türken Triumphgefühle bescheren musste.
In diesem gefährlichen Augenblick des Zauderns, der über Wohl und Wehe entschied, entschloss sich Alexios, alles auf eine Karte zu setzen. Noch einmal wie in Bursa vor der Schlacht zu fliehen? Um keinen Preis! Vielleicht wollte Gott ja auch ihren Untergang, und die Gestalt im Wald war nur ein Schabernack des Teufels gewesen, um sich über ihn lustig zu machen. So wisse, sprach Alexios Angelos still zu Gott, die Verheißung der Krone im Olympos-Gebirge mag ein Klamauk gewesen sein – mein Tod wird es nicht sein.
Er sprang vom Pferd, dem er einen Klaps gab, und bückte sich zu seinem Hund hinunter. »Verkaufen wir unser Blut so teuer wie möglich, mein Freund.«
Das Tier stupste ihn mit der Nase an, und der Fürst zog ihn an den Ohren. Dann richtete sich Alexios auf und zog sein Schwert, hob es in den Himmel und rief: »Schickt den Feind in die Hölle, und das Himmelreich wird unser sein!« Und lief los. Der Kuvasz hielt sich dicht an seiner Seite, und die Männer folgten ihm. Doch würden sich auch die anderen beiden Heeresgruppen in Bewegung setzen? Wenn der Kaiser und Hunyadi sich mit ihren Kriegern in die Stadt zurückzögen, würde die gesamte türkische Streitmacht über sie herfallen und sie massakrieren. Gegen diese Übermacht hätten sie erst recht keine Chance.
Rechts von Alexios blieb es still.
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