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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Nichts bewegte sich.
    »Lasst uns umkehren!«, begehrte eine Stimme hinter ihm auf. »Der Fürst führt uns in den Tod!«
    »Uns führt der Teufel«, rief ein anderer.
    Der Zweifel, der sich in seiner Truppe ausbreitete, kroch ihm kalt den Nacken hoch. Blitzschnell wandte er sich um und hieb dem, den er für den Rufer hielt, den Kopf ab. Das Blut spritzte dem Fürsten ins Gesicht und traf auch die neben dem Soldaten marschierenden Landsknechte. Der Leib des Enthaupteten fiel in sich zusammen wie eine Gliederpuppe, der man die Fäden gekappt hat.
    »Ihr könnt kämpfen oder von mir zusammengehauen werden. Vorwärts, ihr Hurensöhne! Reißen wir unser Leben dem Schicksal aus den Klauen!« Alexios wandte sich um und ging weiter.
    Der Mönch, der ihn gesegnet hatte, nahm dem Toten das Schwert aus der Hand. »Gott will es!«, sagte er und folgte dem Fürsten.
    »Wenn selbst die Geweihten des Herrn die Schwerter nehmen, dann können wir nicht abseitsstehen«, rief einer mit dröhnendem Bass.
    »Pflugscharen zu Schwertern«, verkündete ein anderer.
    »Ein Hundsfott, wer umkehrt!«, hörte der Fürst hinter sich. Die Männer folgten ihm mit einer grimmigen Entschlossenheit. Ja, jetzt hatten sie alle ihre Seele Gott empfohlen. Jetzt war es gut.
    »Die Ritter!«, heulte ein Mann auf. Seine Stimme klang teils verwundert, weil er nicht mehr damit gerechnet hatte, teils erleichtert, weil es dennoch eintrat.
    »Die Ritter«, jubelten die Männer.
    »Teufelsbraten!«
    »Gotteskrieger!« Alexios schaute nach rechts und ihm fiel ein Stein vom Herzen. Iancu, dachte er dankbar. »Iancu reitet«, sagte er zärtlich zu dem Hund, der freudig bellte, als habe er ihn verstanden.
    Die Reiterei stürmte auf den Feind zu, als flögen sie wie ein Geschwader von Erzengeln mit gezückten Schwertern. Der Boden hallte wider von den schweren Hufen der gepanzerten Pferde. Nicht umsonst galt ihnen der Erzengel Georg, der Drachentöter, als Schutzpatron. Noch konnte Alexios nicht sehen, wie sich Johannes verhielt. Würde der Kaiser sich für den Rückzug entscheiden?
    Die Schwerter, Harnische und Helme der Türken spiegelten das Sonnenlicht wider, aber es stach auch in ihre Augen. Der leichte Wind, der noch vor Kurzem über die Ebene hinweggestrichen war, hatte das Schlachtfeld geräumt und den Platz den Waffen überlassen, die im nächsten Moment aufeinandertreffen würden, dem Blutregen, der niedergehen würde, den Körpern, die zu Boden sinken und den Gliedmaßen, die abgehauen herabfallen würden. Selbst die Vögel hatten aufgehört zu singen.
    Vor den Reihen der Feinde, ganz gleich ob Kavallerie oder Infanterie, saßen Männer in bunten Kleidern auf prachtvoll herausgeputzten Pferden, die vor ihrem Körper oder vor ihrem Mund Musikinstrumente hielten, Trompeten und Posaunen, Rohrflöten, Panflöten, Oboen, Kurzhalslauten und Spießgeigen. Auf nicht minder geschmückten Kamelen thronten Männer mit monströsen Trommeln, Pauken und Becken. Für den ohrenbetäubenden Lärm, den diese Schlaginstrumente veranstalten würden, waren Pferde zu sensibel, sodass die Türken das geduldige Kamel benutzten.
    Und dann brach als Vorbote des türkischen Gegenangriffs ein wahres Inferno aus Geräuschen über die Christen herein, Töne, die sich in einer Oktave und dicht an einen Grundton hielten, wie ein Pfeilregen, der einem brennenden Geschoss folgte. Sie kannten diesen Lärm bereits, den die Türken jede Nacht erzeugt hatten, um die Bewohner von Konstantinopel zu erschrecken, als wollten sie drohen: Wartet, bis wir erst bei euch sind. Jetzt aber ging es darum, sich in den Seelen der Byzantiner festzukrallen und sie mit Mutlosigkeit und Furcht zu infizieren. Sie bestürmte das Gefühl, dass die Hölle die Pforten geöffnet hatte und sie, die Teufel, gleich über sie herfallen würden. Einen Gegner konnte man mit dem Schwert oder dem Spieß oder dem Dolch oder den bloßen Händen angreifen. Wie erstach, erschlug oder erwürgte man Töne?
    Die Hilflosigkeit machte Alexios zornig. Er fühlte sich gefangen von der Macht der Musik. Aber dann wurden die Fesseln plötzlich zerschlagen und ihn erfüllte Stolz auf seine Soldaten. Wie ein Schild aus Akkorden erhob sich, angestimmt von den Mönchen, der Gesang aus zweitausend Männerkehlen, ein altes Wallfahrtslied, das er gut kannte: »Wohlan, lobet den Herrn, alle Knechte des Herrn, die ihr steht des Nachts im Hause des Herrn! Hebet eure Hände auf im Heiligtum und lobet den Herrn! Der Herr segne dich aus Zion, der

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