Byzanz
abgetrennt. Zwei Türme ließen eine Durchfahrt in die Propontis, das große Binnenmeer vor Konstantinopel, zu. Auf dem linken Turm brannte ständig ein Leuchtfeuer, von dem eine grauschwarze Rauchfahne sich wie eine Riesenboa in den Himmel schlängelte. Der Hafen war voller Schiffe, die hier überwinterten.
Ihren Blick fesselte plötzlich eine Galeere, die gemächlich in den Hafen glitt. Sie wurde nur gerudert, beide Segel waren eingeholt. Eirene lächelte, als sie den Namen des Schiffes entzifferte: »Nike«, die Siegesgöttin. Das Schiff lag elegant im Wasser. Nicht weit von ihr entfernt fand das Fahrzeug noch einen Anlegeplatz. Es machte ihr Spaß, die Männer zu beobachten, wie sie das Schiff vertäuten, die Ruder einholten und schließlich mit Scherzen und gutmütigen Rempeleien die Waren löschten. Auf dem Kai warteten bereits Fuhrleute mit Ochsenkarren darauf, die Fracht in die Lagerhäuser zu bringen. Es erregte ihre Aufmerksamkeit, dass ein Handelsschiff zu dieser Jahreszeit unterwegs war. Ein grauhaariger, vierschrötiger Mann mit einer enormen Glatze, kleinen, aber sehr wachen Augen wurde von allen mit großem Respekt behandelt. Das musste der Kapitän sein. Als er auf ihrer Höhe war, sprach sie ihn mit verstellter Stimme an. »Kapitän.«
Der Dicke grinste. »Ich bin nicht der Kapitän, ich bin der Steuermann. Womit kann ich dienen, junger Herr?«
»Woher kommt ihr?«
»Vom Kynegion-Hafen.«
»Was hattet ihr in Kynegion zu tun?«
»Wir haben die Braut des Herrn Johannes Palaiologos, die hochwohlgeborene Sophie von Montferrat, abgeliefert.« Abgeliefert, wiederholte Eirene im Gedanken und unterdrückte ein Lächeln.
»Und jetzt löscht ihr die Fracht und macht winterfest?«
»Ja, und wir schlagen drei Kreuze, dass wir den Sturm überlebt haben. Die Alten wussten schon, warum sie zwischen Philippi und dem Hochfest des Erscheinens sich nicht auf das Meer wagten. Jeder vernünftige Mensch lässt davon die Finger.«
»Ist der Kapitän auf dem Schiff?«
»Wer wünscht das zu wissen?«
»Eireneios Gudelen«, log Eirene, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Nein, der gnädige Herr Loukas Notaras ist längst von Bord. Das hier ist meine Pflicht.«
»Der Sohn des kaiserlichen Dolmetschers führt das Schiff?« Eudokimos sah den »jungen Mann«, dem eben verdächtig die Stimme nach oben gerutscht war, prüfend an, was Eirene aber nicht auffiel, so gut verbargen die buschigen Augenbrauen des Seemannes seinen Blick. Der Fahrensmann begann sich so seine Gedanken über den doch sehr feminin wirkenden, schmächtigen Jüngling zu machen. »Ebender und ein vortrefflicher Seemann. Noch jung an Jahren, aber sein kaltes Blut hat uns gerettet. Wir hatten unsere Seele schon Gott empfohlen, als der Sturm über uns hereinbrach. Ich sage Euch, gnädiges, ähm gnädiger Herr, einen solchen Sturm habe ich noch nicht erlebt.« Unmerklich zuckte sie zusammen. Zeit sich zurückzuziehen, der alte Seebär hatte sie durchschaut. Er griente über beide Wangen. So ein unverschämt breites Grinsen hatte sie nie zuvor gesehen.
»Aber wenn Ihr mehr wissen wollt, dann kommt mit ins Wirtshaus ›Zur Ankerschlange‹, und Ihr gebt einen aus für mich, während ich Euch von der Reise erzähle.«
Kurz schwankte sie, ob sie sich darauf einlassen sollte, denn sie verging schier vor Neugier. Das Angebot war zwar verlockend, aber zu gefährlich, weil der Dicke sie durchschaut hatte. Eirene räusperte sich, nuschelte noch etwas wie »Danke, guter Mann« und strebte dem Kontoskalion-Tor zu. Loukas Notaras, den Namen würde man sich merken müssen, dachte sie, und ein verschmitztes Lächeln flitzte über ihre vollen Lippen.
7
Kaiserpalast, Konstantinopel
Am Abend saß Alexios Angelos im Geheimen Besprechungssaal und berichtete Kaiser Manuel und Johannes von seiner Reise. Er konnte seinen Stolz über das Erreichte kaum verbergen. Auf dem Tisch lag ausgebreitet die Karte, die Dschuneid ihm mitgegeben hatte.
»Du schlägst also vor, dass wir uns mit Mustafa und Dschuneid gegen Mehmed verbünden?«, fragte der Kaiser, nachdem er dem jungen Fürsten aufmerksam zugehört hatte.
»Wir lassen ihn doch nur entkommen. Dafür können wir nichts.«
Der Kaiser winkte ab: »Das kommt aufs Gleiche heraus. Mehmed würde in der gelungenen Flucht seines Thronrivalen genau das sehen, was sie auch tatsächlich ist: unsere Unterstützung für seine Gegner. Was, wenn Mustafa unterliegt?«
Alexios fluchte innerlich über den Kleinmut des Alten, gab sich
Weitere Kostenlose Bücher