Byzanz
näherte sich mit Manuel an der Spitze der kaiserliche Hofstaat in einer prachtvollen Prozession der Hauptkirche des Reiches. Vor dem Kaiser trugen Mönche die Ikone der Muttergottes, die durch einen weißen Baldachin vor dem Regen geschützt wurde.
Die Hochzeit des Mitkaisers Johannes VIII. Palaiologos mit der Gräfin Sophia von Montferrat brachte die Bewohner der Stadt auf die Straße und die Hofleute, die Adligen und reichen Kaufleute in die Kirche. Sophia trug ein weißes Brautkleid mit einer sechzehn Ellen langen Schleppe. Diese war ein Geschenk der venezianischen Kaufleute, während die Seide für das Kleid von den Genuesen stammte. Beide Stadtstaaten hofften, dass eine Italienerin als Kaiserin ihnen noch einmal von Nutzen sein konnte. Das Gesicht der Gräfin verbarg indes ein Schleier, sodass die Zuschauer sich weiter einbilden durften, dass die Braut vor lauter Glück lächeln würde. Die Vermählung nahm Joseph II. vor, der Patriarch von Konstantinopel.
Loukas hatte das Gefühl, dass sein Auftrag mit dieser Trauung abgeschlossen war. Sophia war nun nicht nur im Hafen von Konstantinopel, sondern auch in den Hafen der Ehe eingelaufen.
Nach der Hochzeitsmesse folgten Ritterspiele im Hof des kaiserlichen Palastes, bei denen sich, wie Loukas zur Kenntnis nahm, Fürst Alexios Angelos eifrig hervortat. Anschließend wurde im großen Audienzsaal unter den Augen des Kaisers und der Krieger, die auf Goldmosaiken an der Wand die Schlacht von Berat schlugen, höfisch getanzt. Die Säle im kaiserlichen Palast gingen ineinander über. Loukas betrachtete die kostbaren Mosaiken, die Episoden aus der Schöpfungsgeschichte oder von der Eroberung des wahren Kreuzes durch Kaiser Herakleios darstellten, das die Perser aus Jerusalem entführt hatten.
Zimbeln und Flöten, Lyren und Geigen, Trommeln und Pauken erklangen. Bei einem der Schreittänze wollte es der Zufall, dass Loukas einer Schönheit gegenüberstand, die ihm die Hand reichte und ihn dabei aus ihren schwarzen, mandelförmigen Augen unverhohlen musterte. Sie trug ein kostbares Kleid aus Seide, dessen Blau in einer Nuance an den Purpur des Kaisers erinnerte. Goldfäden durchzogen das Gewand und verliehen ihm Leichtigkeit, denn sie verbanden sich zu Singvögeln, die aufflogen. Die Stickerei war so kunstvoll, dass man meinen konnte, die Vögel lebten tatsächlich.
»Bist du nicht der Kapitän, dem wir dieses Fest verdanken?«
»Zu viel der Ehre! Ich habe nur das Schiff geführt, das die Braut in die Arme des Bräutigams brachte.«
»Wofür Johannes dir nicht gerade danken wird. Ich glaube sogar, er verübelt es dir nach Kräften.« Das Vergnügen an der kleinen, wohlgesetzten Boshaftigkeit schoss aus den Augen der Schönen.
»Ich bin nur ein Offizier der kaiserlichen Marine und erfülle die Befehle meines Herrn.«
»Gewiss, aber willst du mir nicht von der Seefahrt berichten, den fremden Ländern und fremden Mädchen, Kapitän?«
Mit Erstaunen stellte er fest, dass sie seinen Rang kannte. Offenbar wusste sie weit mehr über ihn als er über sie. Der Tanz geriet in Unordnung, denn über ihr Gespräch hatten sie den Wechsel vergessen.
»Du musst dich jetzt von Ihrer Hoheit trennen!«, flüsterte ein junger Mann, dem der Gelehrtenmantel um den hageren Körper schlackerte, in Loukas’ Ohr.
»Der gute Sphrantzes hat recht. Aber das hat er eigentlich immer. Denn unser Georgios ist ein großer Gelehrter, der sich in der Ordnung der Welt auskennt«, spottete die Schönheit. Sie neigte sich zu Loukas hinüber und sagte leise: »Nach dem Tanz in der Loggia.«
Dann legte sie ihre Hand in die des Fürsten Alexios Angelos, der ungnädig auf Loukas herabschaute. In diesem Moment fühlte der Kapitän eine kleine kalte Hand in der seinen, und der Tanz nahm seinen Fortgang. Er nahm seine neue Partnerin nicht einmal wahr.
Nach dem Tanz begab sich die große Gesellschaft zum Festmahl einen Saal weiter. Dort hatte man die Tafel errichtet. Je nach Rang saßen die Gäste in der Nähe der kaiserlichen Familie oder von ihr entfernt. Loukas reizten weder die Ingwersuppe mit Huhn noch die Lammspieße, nicht das gekochte, blanchierte oder gebratene Gemüse, das Obst nicht, auch nicht der berühmte Chisi-Wein von der Insel Chios. Ihm ging seine schöne Tanzpartnerin nicht aus dem Kopf, und deshalb verfügte er sich nicht zu seinem Platz in der Mitte der Tafel, an der auch seine Familie saß, sondern begab sich in die Loggia.
Würde sie kommen? Oder hatte sie ihn nur genarrt?
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