Byzanz
vielleicht etwas zu breiten Mund. Wenn sie lachte, bekamen ihre Ohren Besuch. Ab und zu schaute sie mitten im Gespräch, im spöttischen Wiegen ihres Kopfes, dem Krausen der Nase kurz zu ihm hinüber, und dann ging für ihn die Sonne auf.
»Hörst du mir überhaupt zu, mein Sohn?«, fragte Nikephoros.
»Bitte, wovon sprachst du?«
»Ich wollte mit dir übers Heiraten reden.«
»Ach, übers Heiraten. Ja gern, aber nicht heute. Es ist noch Zeit.«
»Oh, das wohl nicht!«, sagte Nikephoros. »Du bist einundzwanzig Jahre alt, vertrittst mich in geschäftlichen Dingen und bist Kapitän der kaiserlichen Marine, dem unter Umständen ein Flottenkommando anvertraut wird. Nein, mein Sohn, ich will mein Haus gut bestellen. Verlass dich darauf, in diesem Jahr wird geheiratet!«
9
Kaiserpalast, Konstantinopel
Wie verabredet fand sich Loukas Notaras am Dienstag, dem ersten schönen Sonnentag nach Wochen scheußlichen Wetters, im Palast ein. Er steckte voller Neugier, voller Abenteuerlust und voller Sehnsucht. Seinen schwarzen Vollbart hatte er vom Bader stutzen lassen. Er trug eine blaue Tunika, die fast bis zum Boden reichte, darüber eine pelzgefütterte Toga in gleicher Länge und einen Mantel aus dem Pelz des schwarzen Bären. Unternehmungslustig passierte er das Tor, teilte den Wachen freundlich, fast scherzend sein Ziel mit und durchquerte den Garten, der zu dieser Jahreszeit wie gerupft wirkte. Die Blumen standen entweder in grünen, schlafenden Büschen oder kümmerten verwelkt vor sich hin, während das ausgeblichene Grün des Rasens, von großen gelben Flächen unterbrochen, einen tristen Anblick bot. Allein die Sonne mit ihrer schon erstaunlichen Kraft ließ das Herannahen des Frühlings ahnen.
Ein kleiner, rundlicher Diener, Typ griechisches Bäuerlein mit flinken, listigen Augen, führte den Kapitän über eine geschwungene Freitreppe zu einem kleineren Saal, in dem auf Stühlen eine Schar jüngerer Leute lagerte. Gegenüber der Fensterfront stand eine Tafel, auf der sich Gläser, Karaffen mit Wasser, Säften und weißem sowie rotem Wein und Teller mit gebratenen Garnelen, Fischen, Sepia und Hühnerflügeln und gebackenen Rippchen mit Ahornsirup neben allerlei Gemüse und Obst drängelten. Die fliederfarbenen Damaststoffe, mit denen die Wände behangen waren, leuchteten im Licht der Sonne hell und angenehm. In einer Ecke des Saales spielten zwei Lyraspieler und ein Flötist beschwingte Melodien, die hin und wieder mit einem Spritzer Melancholie gewürzt waren.
Noch ehe er Eirene entdeckte, drang ihr helles Lachen an sein Ohr. Sie saß voller Anmut inmitten der jungen Männer und Frauen. Die Enkelin des Kaisers trug heute ein blaues Damastkleid und eine rote Tunika. Blau schien ihre Lieblingsfarbe zu sein. Ihre dichten schwarzen Haare waren mit einer Perlenkette zu einem Zopf geflochten. Sie schien ihm noch schöner zu sein, als Loukas sie in Erinnerung hatte. Die Prinzessin sprang von ihrem hölzernen, mit Schnitzereien aus der Odyssee verzierten Lehnstuhl auf und begrüßte Loukas, den sie übermütig als den tapferen Kapitän vorstellte, der es mit Sophia von Montferrat lange Wochen auf See ausgehalten hatte.
»Sogar im schwersten Seegang hast du dich bemüht, Sophia so schnell wie möglich bei Johannes abzuliefern. Dabei hätte er dich für jeden Monat, jede Woche, ja jeden Tag und jede Stunde später königlich entlohnt – und das trotz seines Geizes und seiner knappen Kassen. Aber ich verstehe das gut«, sagte sie und lachte.
Auch an Loukas’ Ohr waren die Gerüchte gedrungen, dass sich Mann und Frau nie wieder so nahe gekommen waren wie bei der Hochzeit in der Hagia Sophia und dass sie inzwischen in verschiedenen Teilen des Palastes wohnten. Es hieß, Gemahl und Gemahlin hassten einander und gingen sich aus dem Weg.
»Es steht mir weder zu, etwas über die Passagiere, die Gott mir anvertraut hat, zu sagen noch über die Gattin des hervorragenden Herrn Johannes«, gab Loukas steif zurück.
»Recht gesprochen«, sagte Sphrantzes, doch trotz des Lobes lag keine Freundlichkeit in seinem Blick. Kalt, beinahe feindselig musterte der kaiserliche Beamte den Ankömmling.
Basilius, ein junger Mann in schwarzem Gelehrtenmantel mit einem starken Bart und wild gelockten schwarzen Haaren, dicht und struppig wie bei einem Widder, begann sogleich, Loukas ohne Umschweife nach Italien auszufragen, in welchen Städten er gewesen sei, welche Bauten er gesehen habe, wie die Kirchen der Lateiner aussähen. Mit
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