Byzanz
Aber da die Initiative von seinem Feind ausging, musste Loukas sie unter allen Umständen stoppen. Es ging nicht um das Gute und Wahre, auch nicht um das Wünschenswerte, das für alle nutzbringend wäre, sondern kalt und brutal um Macht.
»Ihr alle tragt Verantwortung für das Reich der Rhomäer. Die Geschichte wird danach fragen, ob ihr das Reich zerstört und die Menschen unglücklich gemacht habt aus purem Eigennutz, aus Eitelkeit, aus Machtgier und Gewinnstreben«, hielt Alexios den Räten entgegen. Allmählich dämmerte dem Fürsten beim Anblick des Patriarchen, weshalb der Philosoph Georgios Plethon, bei dem er ein halbes Jahr zugebracht und mit dem er das Reformprogramm entwickelt hatte, die faulen und intrigenreichen Mönche hasste. »Ich versündige mich nicht, Vater, tut Ihr es auch nicht!«, warnte er Joseph II., der seine Augen aufriss und wie auf Bestellung ein »Unerhört!« ertönen ließ.
Der Kaiser erhob sich. »Die Vorschläge, die Fürst Angelos unterbreitet hat, sind es wert, diskutiert zu werden. Wir setzen das Gespräch darüber beim nächsten Rat fort.« Mit diesen Worten verließ Johannes VIII. den Saal.
Auch Alexios ging hinaus, gefolgt von Sphrantzes.
»Ich weiß wirklich nicht, warum der Kaiser an diesem Wirrkopf Alexios Angelos festhält«, ließ sich der Oberbefehlshaber vernehmen.
»Was dem Fürsten bloß so alles einfällt«, sagte der Erste Minister kopfschüttelnd. »Ihr habt übrigens gut gesprochen, Notaras.« Loukas nahm das Lob mit unbewegter Miene entgegen und dachte stillvergnügt, dass Geschenke die Freundschaft erhielten. Was das betraf, hatte er viel von den Türken gelernt.
Im Vestibül des Palastes holte Georgios Sphrantzes den Fürsten ein, was schwierig genug war, weil den die Wut trieb, und bot ihm Hilfe an. »Wir müssen Unterstützung organisieren. Darum kümmere ich mich«, sagte er. »Ein Teil des Rates wird von Notaras, nun, nennen wir es beschenkt, andere, wie der Oberbefehlshaber, empfinden schlicht Neid. Es wird nicht leicht, aber der Kaiser neigt Euch zu. Emotional sowieso.«
»Ich werde Plethon bitten, seinerseits den Reformplan dem Kaiser als Vorschlag zu unterbreiten.«
Über das strenge Gesicht des Großkanzlers huschte ein Lächeln. »Ausgezeichnete Idee! Der Kaiser schätzt Plethon als Philosophen. Unsere Sache ist nicht verloren.«
»Sie wird nicht verloren sein, solange ich lebe«, sagte der Fürst.
Als Loukas Notaras vergnügt darüber, wie sein Feind gerade politischen Selbstmord beging, seinen Palast betrat, führte ihn ein Diener gleich ins große Speisezimmer der Familie. Er staunte, als er vor einer üppigen Tafel stand.
»Hab ich einen Geburtstag vergessen?«, fragte er überfordert, »Oder hält Verschwendung …« Mitten im Satz hielt er inne und strahlte jungenhaft über das ganze Gesicht, weil er seinen Bruder entdeckte. »Sieh da, Demetrios ist zurückgekehrt. Du hast dir ordentlich Zeit gelassen, Bruder!«
»Jakub Alhambra hat mich so gut behandelt, da konnte ich doch nicht alles stehen und liegen lassen, als mich deine Nachricht erreichte. Mein Nachfolger musste eingearbeitet werden.« Damit endete auch schon die Aufmerksamkeit, die Loukas genießen durfte, denn schon wurde Demetrios wieder von allen Seiten bestürmt zu erzählen, wie es ihm ergangen war. Vor allem die Kinder wollten wissen, was Juden wären und wie es sei, mit ihnen und unter Türken zu leben. Nach manchem Detail, das ihnen fremd vorkam oder ihnen außerordentlich gut gefiel, fragten sie wieder und immer wieder. Demetrios brachte eine ferne, geheimnisvolle Welt mit, die sich in ihrer Phantasie als ein einziges großes Märchen entfaltete.
Während die Amme die Kinder nach dem ausgiebigen Essen zu Bett brachte, zogen sich die Erwachsenen in den kleinen Saal zurück. Es wurden Tee, Wein, Wasser und Granatapfelsaft gereicht. Ein paar Öllampen wurden angezündet, obwohl das noch gar nicht nötig war. Demetrios hielt sich an den Tee, während Loukas und Nikephoros einen leichten Roten bevorzugten. Die Frauen genossen den Granatapfelsaft, der mit einem Spritzer Zitrone und mit Minze versetzt war.
»Komm erst mal an und ruhe dich aus, Demetrios. Dann unterhalten wir uns, wie es für dich weitergeht«, sagte Loukas freundlich.
»Wir können jetzt schon darüber sprechen. Mein Vorschlag lautet, dass ich von morgens bis mittags im Kontor arbeite.«
»Als mein Bruder musst du wirklich nicht im Kontor schuften«, wehrte der Kapitän ab. »Die Geschäfte laufen
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