Byzanz
das eine neue Erwerbsquelle für die hohen Herren. Wenn wir durch Steuersenkungen und versteckte Hilfen für unseren Handel stark geworden sind, dann würde ich Stück für Stück die Vergünstigungen für ausländische Händler zurücknehmen. So werden wir aus unserer einzigartigen geographischen Lage selbst den Profit im Handel ziehen. Das Ziel muss lauten: Wer bei uns günstig Handel treiben will, muss in eine byzantinische Firma investieren, mit uns zusammenarbeiten.«
»Das geht?«, fragte Konstantin skeptisch.
»Denkt an Eure Besitztümer auf der Peloponnes. Ihr produziert dort Wein, Getreide und Olivenöl. Beziehen wir Eure Produkte in den Fernhandel ein, nicht, indem ich Euch die Produkte abkaufe, sondern indem Ihr oder einer Eurer Bevollmächtigten mit mir eine gemeinsame Firma gründet. So verdient Ihr direkt am Handel mit«, sagte Loukas.
Konstantin strich sich nachdenklich über den Bart.
»Jetzt aber zurück zum Fest! Was ist das für eine Art, während der Taufe deines Sohnes über Geschäfte zu reden«, schimpfte die Kaiserin zufrieden.
»Mit Verlaub, hohe Dame, wir haben nicht über Geschäfte gesprochen, sondern über die Zukunft, auch meines Sohnes.«
»Du bleibst ein Kaufmann, Loukas Notaras, und was die Sache noch schlimmer macht, du bist dazu noch ein Höfling durch und durch«, schimpfte die Kaiserin. »Ein Mann der kommenden Zeit – deshalb habe ich euch beide zusammengebracht. Die Zukunft liegt in deiner Hand, Konstantin, und nicht in der deines Bruders.« Bei diesen Worten fehlte jegliches Lächeln in den Augen der Alten und jedes ironische Timbre in der Stimme. In Konstantins Wangen stieg trotz seines dunklen Teints wahrnehmbares Rot. Loukas versiegelte die Freude in seinem Herzen und befleißigte sich eines harmlosen Gesichtsausdrucks.
»Schaut Euch doch den Reichtum von Loukas Notaras und von den Gudelen und anderen unserer Kaufleute an. Sie werden uns, den Adel, verdrängen und, wenn es lukrativ ist, das Reich an die Türken verhökern«, schloss Alexios Angelos seinen kleinen Vortrag vor Johannes VIII. und Georgios Sphrantzes, mit denen er an diesem Nachmittag im Geheimen Besprechungssaal zusammensaß. Sphrantzes hatte das Treffen arrangiert. Es fiel auch nicht auf, denn ganz Konstantinopel befand sich auf der Feier im Hause Notaras. So wirkte Blachernae etwas verwaist. Johannes genoss die Ruhe, das Fehlen des surrenden und wispernden Haufens von Höflingen, des Geruchs der Intrige, des Gegockels der Wichtigtuerei.
»Ich habe inzwischen auch den Reformplan von Plethon gelesen. Er ähnelt dem Deinen sehr«, sagte der Kaiser. Johannes wirkte unentschlossen, und der Fürst spürte, dass es unklug war, jetzt auf ihn einzureden. »Vieles will bedacht sein«, stöhnte der Herrscher.
»Vor allem müssen wir Verbündete finden«, warf Sphrantzes ein. »Um die Grundherren nicht vor den Kopf zu stoßen, denn wir werden ihre Unterstützung brauchen, sollte der Staat ihnen eine Entschädigung zahlen für den brachliegenden Grund, der aufgrund des Gesetzes von Bauern beackert wird.« Alexios gefiel der Vorschlag des Großkanzlers überhaupt nicht, doch verstand er sehr wohl, dass nur über diesen Kompromiss eine Verwirklichung des Planes zumindest in denkbare Nähe rückte. Er fluchte innerlich.
»Woher sollen wir das Geld nehmen?«, fragte trübsinnig der Kaiser. Die ständigen Sorgen um Geld raubten ihm die Lebenslust, denn bei Lichte besehen durfte er sich zwar Kaiser nennen, war aber nur der Verwalter eines geschrumpften und zudem bankrotten Staates. Johannes unterließ es tunlichst, sich eine Karte seines Reiches aus dem fünften oder neunten oder elften Jahrhundert anzusehen, um nicht vollends in der Schwermut zu versinken.
»Von den Kaufleuten«, antwortete Sphrantzes mit einer gewissen kalten Freude.
»Aber die zahlen doch schon dreißig bis sechzig Prozent der Steuern«, hielt der Kaiser lustlos gegen.
»Das zahlen sie von ihrem Handel. Nicht aber von dem, was sie als stille Teilhaber der Venezianer und Genuesen verdienen.«
»Wir können die Italiener nicht stärker besteuern, dann machen wir sie uns zu Feinden und verlieren ihre Unterstützung im Kampf gegen die Türken. Und das ausgerechnet jetzt, wo der Kreuzzug in greifbare Nähe rückt! Sigismund ist inzwischen Feuer und Flamme dafür, ebenso der mächtige Herzog von Burgund.«
»Wir müssen eben einen Weg finden, wie wir die wahren Einkünfte von Leuten wie Loukas Notaras herausfinden. Dann könnten wir sie zu einer
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