Byzanz
gut.«
»Ich kann ja das Kontor leiten. Das habe ich zum Schluss bei Jakub zu seiner größten Zufriedenheit auch gemacht. Es kann sicher nicht schaden, wenn ein Mitglied der Familie die Kontrolle über die Bücher hat.«
Die Freude über diesen Vorschlag war Loukas anzusehen, aber auch dem alten Nikephoros, denn so hatte er es sich immer gewünscht, dass seine Söhne einträchtig in der Firma zusammenarbeiteten.
»Und den Rest des Tages will ich malen.«
»Wie?«, platzte Eirene verwundert heraus.
»Mit links. Ich habe tagtäglich geübt. So wie ich mit links schreibe, male ich auch mit links.« Da rutschte der Alte vom Stuhl und kniete nieder und pries Gott für den Segen. Eine Last war ihm von der Seele genommen.
»Wir richten dir im Palast ein Atelier ein«, schlug Loukas vor. Demetrios erhob sich und half seinem Vater auf.
»Fein, dann kann ich ja bei dir in die Lehre gehen«, jubelte der Alte. Verunsichert wechselten die anderen Blicke, denn niemand wusste, ob der Vater oder das Kind Nikephoros gesprochen hatte, in welcher Welt der alte Seeräuber sich gerade aufhielt.
»Kannst du denn deine Pinsel selbst herstellen?«, fragte Demetrios.
»Nö!«, sagte der Alte mit großen, frechen Kinderaugen.
»Dann fangen wir damit an.«
Und so geschah es auch. Nachdem das Atelier in der Zimmerflucht eingerichtet worden war, in der Demetrios eigentlich mit Frau und Kindern hätte wohnen sollten, besuchte der Alte seinen Sohn täglich für eine gute Stunde und nahm bei ihm Unterricht im Malen. Manchmal saß Demetrios der Vater gegenüber, manchmal aber auch der Junge, der sein Vater einst gewesen war. Anfangs verunsicherten ihn diese Wechsel, doch mit der Zeit gewöhnte er sich daran, weil er merkte, dass Nikephoros trotz, oder vielleicht sogar wegen der Verwirrung ein glücklicher Mensch war. Ihm widerfuhr als Gnade, was den meisten Menschen versagt blieb: dass sie im Alter wieder Anschluss an ihre Kindheit fanden, und zwar an die glücklichen Momente. Am deutlichsten erkannte er, dass sein Vater wieder in die Welt seiner Knabenjahre tauchte, wenn er sich wie in ein Labyrinth in das Zeichnen von Karikaturen verlor. Anfangs wollte ihm Demetrios das austreiben, denn er hatte bei Dionysios gelernt, dass Malen Gottesdienst und eine heilige Angelegenheit war. Dicknasige Mitmenschen als knollennasige Ungeheuer darzustellen zeugte von wenig Respekt für Gottes Schöpfung. Die Malerei hatte den Heiligen im Menschen zu finden, nicht den Hanswurst oder das Tier. Je länger er aber seinen Kindvater bei den Kritzeleien beobachtete, desto bewusster wurde ihm, dass mit kindlicher Sicherheit der Alte nicht das Gespött im Menschen, sondern das Geschöpf mit all seinen Mängeln fand, geworfen in die Mittelmäßigkeit an Körperbau und Geisteskraft, mit der es zurechtkommen musste.
Wirklich zum Malen kam er erst am Abend, denn nicht nur sein Vater besuchte ihn im Atelier. Auch Mitri erschien fast an jedem Tag, weil er das »mit Farbe klecksen« liebte, und selbst Theodora schaute regelmäßig herein, da sie so gerne als Prinzessin porträtiert zu werden wünschte.
Anna hingegen verirrte sich nicht ein einziges Mal zu ihm ins Atelier, denn sie vermochte beim besten Willen keinerlei Interesse an der Malerei aufzubringen. Da kam sie ganz nach ihrem Vater. Dafür suchte sie Demetrios jeden Tag pünktlich um acht Uhr morgens im Kontor auf. Sie hatte es durchgesetzt, dass ihr Onkel sie in die Urgründe des Handels einführen würde.
17
Notaras-Palast, Konstantinopel
Nach den vielen Aufregungen in der Familie Notaras kam Loukas nun endlich dazu, die Taufe und Myronsalbung seines jüngsten Sohnes Nikolaos vornehmen zu lassen. Mit allem Pomp fand dieses Ereignis in der Hagia Sophia statt. Der Patriarch Joseph II. spendete die Sakramente persönlich, und der Kaiser und die Kaiserin nahmen sogar an der Taufe und der Eucharistie teil. Zur Feier am Nachmittag im Palast der Notaras erschien das Herrscherpaar nicht, weil es gegen die Etikette verstoßen hätte. Dafür waren – mit Ausnahme von Alexios natürlich – alle Mitglieder des Geheimen Rates anwesend, dazu Gelehrte, Priester, Kaufleute und Adelige. Bei schönstem Wetter saß jeder, der in Konstantinopel Rang und Namen hatte, sogar die alte Kaiserin Helena, an der Tafel, die Loukas im Garten hatte aufstellen lassen. Im Vestibül spielten Musiker, und wer wollte, konnte tanzen. Anna, Theodora und andere Mädchen in ihrem Alter nutzten die Möglichkeit weidlich.
Nach dem Essen
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