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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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seiner Eltern gewiss sein darf. Und diese Sicherheit ist mehr wert als alle göttlichen Garantien. Du hast die Liebe des Menschen über die Liebe Gottes gestellt. Weißt du, was das heißt, Demetrios?«
    »Doch nur, dass ich versuche, den Menschen in der Schöpfung zu sehen.«
    Dionysios schüttelte den Kopf. »Nein, du hast Gott abgeschafft. Bete, Demetrios, bete um dein Seelenheil, mein Sohn, denn du hast Gott in deiner Ikone getötet.«
    »Aber …«
    »Du hast Gott mit links gemalt, und die linke Hand kommt vom Teufel!«
    Instinktiv trat Demetrios einen Schritt zurück und nahm seine Ikone. »Glaubt Ihr das wirklich, Meister?«
    »Ich meine, dass du in dich gehen solltest. Lass dich nicht von deinem Talent, von deinen exzellenten Fertigkeiten verführen, denn das ist eitel. Stärke deine Bindung zu Gott. Schau nicht mit den Augen, sondern mit dem Glauben.«
    Der Mönch stand auf und kramte aus der linken hinteren Ecke der Werkstatt eine Kiste hervor, die er auf den Tisch stellte. Demetrios erkannte die Kiste auf Anhieb, in ihr befanden sich seine Malutensilien, Messer, Pinsel, Tücher, Farben.
    »Ihr habt gewusst, dass ich sie abholen werde.«
    »Nein, das habe ich nicht. Aber ich habe genauso wenig gewusst, dass du es nicht abholen wirst. So ist es auch mit dem Glauben. Man muss sich – auch gegen alle Wahrscheinlichkeit – bereithalten.«
    Damit verabschiedete der Mönch Demetrios. Er könne jederzeit zu ihm kommen, wenn er Rat und Beistand benötige. Technisch jedoch, das zeige seine Ikone, könne er nichts mehr von ihm lernen. Nicht mehr um handwerkliches Vermögen ginge es bei ihm, sondern einzig und allein um seine Einstellung, darum, ob er die nötige Demut, die Kraft zur Selbstbegrenzung aufbringen würde.
    »Dein Können verführt dich. Zügele es, mein Sohn!«, gab ihm der Mönch mit auf den Weg.
    Der alte Seeräuber dachte lange über den Bericht seines Sohnes nach. Er wirkte ein wenig hilflos. »Du hast eine Frau gemalt und ein Kind, das geliebt wird. Liegt darin nicht der Grund der Welt? Ich bin nur ein Kaufmann, ich verstehe von diesen komplizierten Dingen nichts. Rede mit Bessarion darüber. Mir aber gefällt, was du malst.« Dann nahm sein Vater ein Blatt und einen Kohlestift und begann einen spindeldürren Mönch zu zeichnen, dessen enorme Nase ihn nach unten zog und den Oberkörper beugte. Mit seinen kurzen Armen versuchte er, sich an seine eigene Nase zu fassen, was ihm jedoch misslang. Beim Skizzieren ruhte auf dem Gesicht des alten Mannes das verschmitzte Lächeln eines Knaben. Obwohl im selben Alter wie der Mönch, wirkte Nikephoros Notaras jünger.
    Bessarion, den Demetrios tags darauf um Rat ersuchte, kaufte ihm die Ikone ab, weil sie das Schönste war, was er je gesehen hatte. »Werden die Menschen nicht durch Jesus erhoben? Hat Gott für die Menschwerdung seines Sohnes sich nicht bewusst eine sterbliche Frau ausgesucht? Ich glaube, unser guter Dionysios ist da etwas streng. Mach weiter, Demetrios, du bist auf der Suche, aber beschränke dich nicht auf Ikonen. Gott hat dir das Talent gegeben, nicht, damit du es begrenzt, sondern damit du es zu seinem Lob nutzt. Du lobst die Schöpfung in deinen Bildern.«
    »Dürfen wir denn alles, was wir können?«
    »Alles, was gut ist. Und du bildest Gottes gute Welt gut ab.«
    Natürlich, das war es. Demetrios jubelte innerlich vor Glück. Warum malte er nicht die Menschen, so wie er sie im Alltag sah, als Menschen? Vielleicht lag der Fehler ja in dem Versuch, die strenge Form der Ikone weiten zu wollen, vielleicht sollte er im Weltlichen den Menschen entdecken und darstellen?
    Er malte keine Ikonen mehr, sondern fiel in einen Rausch des Skizzierens. Ganze Nachmittage verbrachten sein Vater und er auf den Straßen, Plätzen, Foren und in den Häfen der Stadt und zeichneten um die Wette, Menschen und immer wieder Menschen.
    *
    Residenz des Sultans, Amasia
    Sultan Murad II. hatte als persönlichen Bevollmächtigten einen seiner Sklaven, den er freigelassen hatte und der nun den Namen Chidr Pascha trug, nach Amasia geschickt, um dort die Aufsicht über seine Söhne, den älteren Ahmed, der als Landpfleger der Stadt und der Provinz tätig war, und den jüngeren Mehmed zu führen.
    In Absprache mit Daje-Chatun und Hasan begann Jaroslawa, Chidr Pascha schöne Augen zu machen. Sie ging dabei sehr vorsichtig zu Werke, denn wenn Chidr dem Sultan ihre Annäherungsversuche meldete, würde sie mit auf den Rücken gebundenen Händen in einen Sack mit einer

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