Byzanz
von Kues. Er ist ein hervorragender Philosoph und sucht nach Weisheit wie nach Büchern, gerade was unsere Philosophie betrifft, Schriften von Platon, Plotin, Proklos, Jamblichos, na von Leuten, die du leider nicht kennst.«
Die unbeabsichtigte Anspielung auf die mangelhafte Bildung des Admirals saß. Loukas Notaras ließ sich zwar nichts anmerken, aber Anna spürte, wie das Gesicht ihres Vaters undurchdringlich wurde.
»In seiner Suche nach Weisheit ist er bei Angelos ja an der richtigen Adresse«, spottete Loukas und verkniff sich eine Bemerkung, wo die ganze Weisheit des Fürsten zu finden wäre, da seine Tochter bei ihnen saß.
»Außerdem ist er der Legat des Papstes. Es geht um ein Unionskonzil.«
»Sind denn nicht schon Abgesandte der Ketzer in unseren Mauern, die den Kaiser zur Kirchenunion überreden wollen?«
Bessarion hob den Zeigefinger. »Abgesandte des Konzils von Basel, nicht aber Legaten des Papstes!«
»Wo ist da der Unterschied?«, fragte Loukas rhetorisch. Mit provozierender Nachsicht erklärte Bessarion dem Admiral, dass in Basel ein Konzil tagte, das den Papst abzusetzen gedachte, weil er nicht bereit war, sich dem Konzil unterzuordnen. Papst Eugen IV. bestand im Gegenteil darauf, dass sich das Konzil ihm beugte. Es ging um Prinzipielles, herrschten die Päpste über die Konzilien oder die Konzilien über die Päpste? Papst oder Konzil? Wem kam in der Kirche der Vorrang zu?
Loukas brach in schallendes Gelächter aus, sodass ihm Tränen in die Augen traten. »Sie wollen sich mit uns vereinigen und streiten sich untereinander wie die Kesselflicker? Sollen sie erst mal Einigkeit in ihrer Kirche herstellen, dann können wir darüber nachdenken, ob wir überhaupt mit den lateinischen Ketzern zusammengehen.«
»Sie sind keine Ketzer, sondern Christen wie wir.«
Loukas machte eine wegwerfende Handbewegung. Seit seiner Rückkehr aus Mistra vertrat sein Freund Bessarion seltsame Ansichten, die beim Thema der Reform des Reiches sich den Vorstellungen seines Erzfeindes gefährlich näherten. Anna beobachtete, dass sich der Körper ihres Vaters straffte, was nur bedeuten konnte, dass er begann, seinem Freund Bessarion das Vertrauen zu entziehen. Sie kannte die Ausdrucksweise ihres Vaters, was seinen Körper, aber auch seine Sätze betraf, und wusste, wann er befremdet reagierte und vorsichtig wurde. Nun erwärmte sich der Abt zu allem Überfluss auch noch für eine Kirchenunion mit den Lateinern, die Loukas Notaras aus zwei Gründen ablehnte.
Anna staunte über das, was sie zu hören bekam, denn vor allem verstand sie, dass dieser Gelehrte ein gefährlicher Mann war, anders als ihr gutmütiger Bessarion.
Loukas wünschte seiner Tochter viel Spaß beim Unterricht, verabschiedete sich und begab sich sogleich zum Patriarchen.
Anna indessen sann darüber nach, wie sie den Lateiner wiedersehen konnte, so intensiv, dass diesmal sogar Bessarion ihre Unaufmerksamkeit feststellte, der doch von Menschen nichts verstand, und sie dafür gutmütig rüffelte.
An der Pforte kam ihr eine Idee, und sie erkundigte sich beim Pförtner, wo Nikolaus von Kues im Kloster wohnte. Der Mönch musterte das Mädchen, doch Anna setzte ein so naives Gesicht auf, dass er ihr die Lage der Klause, nämlich zwei Zellen hinter der Wohnung des Abtes, verriet. Das Mädchen machte beherzt kehrt und ging den Weg zurück, sandte ein Stoßgebet zum Himmel, als sie Bessarions Tür passierte, dass der Abt nicht ausgerechnet in diesem Moment heraustrat und sie mit seiner Frage in Verlegenheit brächte.
Dann stand sie vor der Tür des Lateiners. Schon hob sie die Hand, um anzuklopfen, ließ sie aber wieder sinken, haderte mit sich, ob es nicht doch besser wäre, wieder zu gehen, wandte sich schon nach rechts, schalt sich aber als feige und fühlte sich von Neugier und Scheu hin und her gerissen.
Loukas Notaras verließ den Patriarchen Joseph II. tief verärgert, denn im Gespräch ließ das Oberhaupt der byzantinischen Kirche nicht nur Sympathien für ein Konzil und eine Union erkennen, sondern lehnte auch jede Mithilfe ab, einen Empfang des päpstlichen Legaten beim Kaiser zu verhindern. Wofür spendete man der Kirche so viel Geld, fragte er sich verärgert und erwog kurz die Möglichkeit, aus pädagogischen Gründen die Spenden für eine gewisse Zeit spürbar zu reduzieren, verzichtete dann aber doch darauf, weil er den Patriarchen nicht verärgern wollte. Wer Geld nahm, wollte nicht ständig daran erinnert werden, dass er sich
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