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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Miene seinem eigenen Zerfall zusah, verabschiedeten sie sich. Basilius lebte in dem angeschlossenen Kloster, seit ihn der Metropolit von Trapezunt vor sechs Jahren in die Obhut des Universalgelehrten Chortasmenos nach Konstantinopel geschickt hatte.
    Als der Kapitän nach den Ruinen des einst mächtigen Tetrapylons und dem Forum des Konstantin in das Gewirr der Gassen unterhalb des zweiten Hügels eintauchte, erinnerte er sich an das, was Eirene in der teatra gesagt hatte, an ihr Lachen, ihre spöttischen Bemerkungen. Rechts von ihm erstreckte sich das alte Kaiserviertel mit dem Hippodrom, in dem längst keine Wagenrennen mehr stattfanden, sondern das von den jungen Herren für das Polospiel genutzt wurde, und den Palästen, die sich dem steten Ansturm der Natur ergaben.
    Eirene hatte sich über das ruhmredige Geschwätz der Griechen vor Troja mokiert und die Augen verdrehend gefragt, wann endlich ein Dichter aus Homers »Ilias« eine Komödie machen würde. Die größten Helden, Achill und Agamemnon, würden sich wie Kesselflicker um eine Sklavin streiten, in die sie nicht einmal verliebt waren, der reinen Eitelkeit wegen. Wenn das nicht komisch wäre, dann wisse sie nicht, worüber man lachen sollte.
    Wie gern würde Loukas es für sie versuchen, aber er war nun mal kein Dichter. Vielleicht fände er jemanden, der das für ihn übernehmen könnte. Die »Ilias« als Komödie – der Gedanke ließ ihn nicht los. An einem lauen Frühlingsabend würde er sie für Eirene im Garten seines elterlichen Palastes aufführen lassen. »Singe, o Muse, den Zorn des Pelliden Achilleus, der opfert den Göttern, was andern gehört, den vom Weibe es treibt zum Epheben …«, sagte er vor sich hin.
    Die zweistöckigen Häuser der Altstadt mit ihren balkonartigen Vorbauten drängten sich dicht an dicht, als würden sie dem anderen den Platz nicht gönnen. Es roch in den Gassen nach Gebratenem und Kräutern, auch ein Geruch von gedämpftem Kohl gesellte sich hin und wieder dazu. Im Eingang eines Hauses, dessen Beleuchtung aufdringlich wirkte, standen zwei üppige, spärlich bekleidete Frauen.
    »Erweist Ihr uns die Gnade, Euer Gnaden, mit einer Gnadengabe? Ihr werdet es nicht bereuen«, flötete eine der beiden.
    Der Schatten stand nun fast hinter ihm. Wie aus einem tiefen Schlaf gerüttelt, schaute Loukas überrascht auf und blickte in ein breites Gesicht, dessen vulgärer Ausdruck ihn beleidigte. Er wollte schon weitergehen, da überholte ihn der Schatten und stellte sich ihm in den Weg. Wütend funkelte das eine Auge des Unbekannten, das andere verdeckte eine braune Lederkappe.
    »Habt Ihr eben meine Braut eine Hure genannt?«, fragte Jacques le Lame.
    Im nächsten Moment hatte er bereits einen Dolch in der Hand und stach zu. Loukas spürte einen heftigen Schmerz in der Herzgegend, dann wurde ihm schwarz vor Augen, und er brach zusammen. Die Huren im Hauseingang schrien etwas von Mord, dann flüchteten sie ins Innere, während von allen Seiten Neugierige herbeiströmten. Um ganz sicherzugehen, wollte Jacques le Lame gerade noch einmal zustechen, als plötzlich ein halb nackter Seemann mit einem Säbel in der Hand vor ihm stand.
    »Was treibst du da, Schurke?«, brüllte die mächtige Gestalt mit den buschigen Augenbrauen und der Glatze ihn auf Italienisch an, weil er ihn wegen seiner Kleidung und seines Aussehens für einen Italiener hielt.
    Jacques le Lame verspürte keine Neigung auf eine Auseinandersetzung, die ihn vor den Richter und aufs Schafott bringen konnte, und flüchtete lieber im Vertrauen auf seine Treffgenauigkeit. Eudokimos beugte sich zu dem Verletzten hinunter, erkannte seinen Kapitän und brüllte mit seiner mächtigen Stimme die Huren an, die inzwischen aus dem Bordell auf die Straße gelaufen waren, um das Geschehen zu beobachten. Er benötige dringend Wasser und Verbandszeug und jemand sollte einen Arzt holen. Dann hob er die Hände zum Himmel und schwor dem Meuchelmörder mit der ledernen Augenklappe Rache. Das italienische Blut in ihm kochte, und das griechische siedete. Obwohl er es sich nicht eingestand, mochte er den jungen Mann, der sein Kapitän war. Eigentlich verachtete Eudokimos, der sich in zwanzig Jahren auf See vom Schiffsjungen zum Steuermann hochgearbeitet hatte, die feinen Herren, die nicht ihre Fähigkeit, sondern ihre Herkunft zum Kapitän gemacht hatte. So blieb für gewöhnlich ihre Arbeit an Bord an ihm hängen, weil sie sich dazu nicht in der Lage sahen. Aber der Junge war anders. Der

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