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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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sollen.« Nun ja, das Reich bestand eigentlich mehr oder weniger aus der Stadt, dennoch lag in seinen Händen die Verantwortung. Eirene machte große Augen, und auch die Kinder staunten.
    »Sohn, Sohn«, freute sich der Alte wie ein Kind, und seine Frau fügte versonnen hinzu: »Wer hätte das gedacht?« Loukas hingegen befand sich in einer seltsamen Gefühlslage. Einerseits schmeichelte es ihm, dass der Kaiser ihm die Verantwortung übertrug, andererseits glaubte er, dass auch niemand anderer in der Lage dazu war, die Staatsgeschäfte zu führen. Lange genug hatte er den Dilettantismus der Würdenträger des Reiches ertragen müssen, und zwar von denen, die er bezahlte, und auch von denen, die er nicht bezahlte. Es konnte ja nichts schaden, wenn im Reich das eine oder andere einmal richtig gemacht würde.
    »Sei vorsichtig, mein Sohn. Auch ich stand dem seligen Kaiser Manuel einmal sehr nahe, aber so eng man auch zusammenarbeitet, was immer man auch gemeinsam erlebt, der Kaiser bleibt der Kaiser und der Regent Konstantin der Regent. Wahre innerlich immer Abstand, das Blatt kann sich sehr schnell wenden. Kaiser haben keine Freunde, sie haben nur Untertanen.«
    *
    An einem Nebeltag im November stach die kleine Flotte mit dem Kaiser an Bord in See. Alexios Angelos gehörte zum Gefolge, und auch Nikolaus von Kues reiste mit.
    Eirene trug wieder ein rundes Bäuchlein, das jedem verkündete, dass die Familie in absehbarer Zeit um ein neues Mitglied bereichert werden würde.
    Für Anna hingegen vergingen die Tage mit Unterricht im Singen und Tanzen, was ihr keine Freude bereitete. Sie wirkte verschlossen und traurig. Der Glanz war aus ihren Augen gewichen, und einen Scherz oder eine Neckerei hatte lange keiner mehr von ihr gehört noch eine philosophische Belehrung hinnehmen müssen. Oft saß sie im Garten und träumte. Den besorgten Fragen ihrer Mutter begegnete sie freundlich, aber nichtssagend. Loukas nahm sich zwar immer wieder vor, mit seiner ältesten Tochter zu reden, doch sogen ihn die Staatsgeschäfte förmlich auf. Seitdem sich über Jakub Alhambras Vermittlung die Badoer an ihn gewandt hatten, weil sich die venezianische Kolonie in Konstantinopel einen eigenen befestigten Hafen wünschte, wurde er für seine Familie fast zu einem Fremden. Er schlief wenig und arbeitete fast ununterbrochen. Denn er wollte sich seine Hilfe ordentlich vergüten lassen, durch Geld, das bei der Badoer-Bank in Venedig deponiert wurde, und durch Beteiligungen an dieser und an anderen Bank- und Handelshäusern. Wenn die Zeiten unüberschaubar wurden, half es nur, sein Vermögen breit zu streuen, sagte sich Loukas. Außerdem arbeitete er mit ein paar anderen griechischen Familien daran, eine Baufirma zu gründen, die den Bau des Hafens übernehmen sollte. Geld gab es genügend, es mussten nur die richtigen Kanäle geschaffen werden, dass es auch in die richtigen Häfen floss.
    Diese vielen Aktivitäten hinderten ihn daran, Zeit für Anna zu finden. Sie aß kaum noch etwas, sie lachte nicht, beteiligte sich nicht an Unterhaltungen und wirkte oft abwesend, denn sie wusste nicht, wozu sie auf der Welt war. Um einmal einen Haushalt zu führen? Wie langweilig. Um zu heiraten? Männer interessierten sie nicht, und über Kinder wusste sie genug, wenn sie ihre Geschwister sah. Eirene versuchte immer wieder, mit ihrer Tochter zu reden, aber sie drang nicht zu ihr durch. Eine Wehrmauer aus Höflichkeit und Floskeln hatte das Mädchen um sich gezogen.
    Eines Abends kam ihr Vater zu ihr ins Zimmer. Er setzte sich auf den Fußboden, neben ihr Bett.
    »Ich hatte einmal ein glückliches und freches Mädchen. Ich finde es nicht mehr. Kannst du mir sagen, wo es ist?«, fragte er.
    Anna setzte sich auf. »Ich weiß es nicht, Papa.«
    »Willst du deine Studien in Philosophie fortsetzen?«
    »Wozu? Dazu fehlt mir die Begabung.«
    Loukas machte große Augen: »Dir die Begabung?«
    »Ich weiß ja, dass du mich liebst. Aber ihr habt recht. Philosophie ist nichts für ein Mädchen. Papa, warum konnte ich kein Junge werden?« Dabei sah sie ihn so traurig an, dass ihm keine Antwort einfiel, weil es mit einer Floskel nicht getan gewesen wäre.
    »Ich wollte noch etwas anderes von dir. Ich brauche deine Hilfe«, setzte Loukas völlig neu und sehr ernst an.
    »Du, meine Hilfe?«
    »Ich habe so viel zu tun, dass ich Demetrios nicht im Kontor unterstützen kann. Könntest du das für mich, für uns tun?«
    »Ich darf, ich meine, ich soll wieder ins Kontor gehen?«

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