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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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des Kaisers Justinian, die unweit der Hagia Sophia im Augusteion stand, vorzudringen. Dort käme aber ein Engel mit glühendem Schwert vom Himmel und würde Tod über den Feind bringen und die Stadt befreien, so hieß es. Engel … Angelos? Lautete nicht so sein Name? War ihm nicht prophezeit, die Kaiserkrone zu tragen? Alexios stürmte in den kaiserlichen Palast, den er verlassen vorfand, ohne Diener und Besucher. Schnellen Schrittes durcheilte er den Audienzsaal, warf einen flüchtigen Blick auf das Bild, das die Schlacht von Berat darstellte, in der Kaiser Michael VIII. gesiegt hatte, und erreichte so die Garderobe des Kaisers. Dort nahm er einen Purpurmantel und eine Krone; in der Waffenkammer des Kaisers suchte er sich einen Brustharnisch, Arm- und Beinschienen, die mit dem Doppeladler verziert waren, und ein Schwert. Noch kam nicht alle Rettung zu spät! Er, Kaiser Alexios aus dem Geschlecht der Engel, würde die Stadt retten! Also hatte der Hermaphrodit damals nicht gelogen. Nun war er der Kaiser der Rhomäer.
    In diesem Bewusstsein verließ er die Residenz und ritt zu seinem Palast. Frau und Tochter setzte er vor sich auf das Pferd, dann trieb er das Tier zu höchster Eile an. An der Seemauer entlang ritten sie zum Neorion-Hafen. Die ersten türkischen Seeleute landeten bereits jenseits der Mauer, denn auch hier war in der allgemeinen Panik die Verteidigung zusammengebrochen. Im Hafen traf er auf den venezianischen Kapitän Alviso Diedo, der gerade ablegte. »Wo wollt Ihr hin?«, fragte Alexios ihn ruhig.
    »Es ist vorbei. Wir laufen aus. Nach Hause. Nach Venedig, verzeiht, Herr«, sagte der Kapitän bekümmert.
    »Bringt meine Frau und meine Tochter nach Epiros zu Thomas Palaiologos«, bat er ihn.
    »Dann steigt ein!«, sagte Diedo.
    »Kann ich mich auf Euch verlassen?«
    »Ja, bei meiner Ehre.«
    »Ich danke Euch, trefflicher Diedo.«
    Zoë umklammerte ihren Vater. »Komm mit, komm mit, sonst fahre ich auch nicht!«, rief sie. Sanft, aber bestimmt machte er sich von ihr los. »Versprich mir, meine Prinzessin, dass du mir alle Ehre machen wirst, versprich es mir.«
    »Wir müssen, Herr«, drängte Diedo.
    »Ich will dich nicht verlieren, ich brauche dich doch, Papa!« Das Mädchen schaute zu seiner Mutter, obwohl es kaum noch etwas sah, weil die Welt in Tränen verschwamm. »Warum sagst du denn nichts?«
    »Weil dein Vater es so beschlossen hat. Und weil ein Angelos die Stadt nicht verlässt, nicht im Guten, nicht im Schlechten.« Ioanna sah auf seine Kleidung und ging auf die Knie: »Kaiser Alexios!«
    Er bat sie aufzustehen und umarmte sie zum Abschied. Erst hob er Zoë, dann Ioanna an Bord. Während die Matrosen das Schiff vom Ufer abstießen, schwang sich Alexios in den Sattel und zog das Schwert heraus. Noch einmal winkte er Frau und Tochter, dann trieb er sein Pferd an.
    Wenige Minuten später erreichte er die Säule des Justinian. Auf dem Platz standen Menschen, zum Teil bewaffnet, aber mit erloschenen Augen und gesenkten Häuptern. Einer entdeckte ihn und rief voller Begeisterung: »Der Kaiser!« Ein Raunen ging durch die Menge.
    »Was macht ihr hier, und warum seid ihr bewaffnet?«
    »Wir wollen nicht in die Sklaverei verkauft werden! Wenn es noch Rettung gibt, dann hier, wie es in der Legende heißt.«
    »Dann kämpft mit mir, siegt mit mir, sterbt mit mir!« Ein Alter sah zu ihm auf. Seine Gesichtszüge gerieten in Verzückung. »Der Engel des Herrn.«
    Eine Janitscharenabteilung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Hagia Sophia zu entweihen und zu plündern, drängte auf den Platz.
    »Nun gilt es!«, rief Alexios und sprang vom Pferd. Bewaffnet oder nicht, sie folgten ihm alle. Schon erschlug er den ersten, dann den zweiten, schließlich den dritten Türken, wobei die Überraschung ihm half. Ein griechischer Junge, ein Greis und ein Mädchen nahmen sich die Säbel der Toten. Nur aus den Augenwinkeln nahm Alexios wahr, wie ein Grieche nach dem anderen fiel. Die meisten von ihnen besaßen keine Ausbildung. So hatten die Elitesoldaten des Sultans leichtes Spiel. Nur mit ihm nicht, mit Alexios Angelos. Mit der Präzision eines Gebetes tötete er einen Feind nach dem anderen. Die bedrängten Türken riefen nach Verstärkung. Schließlich legten zehn Bogenschützen auf den Fürsten an. Aber ihre Pfeile prallten am Panzer ab. Sie holten Armbrustschützen, christliche Mietsoldaten. Der erste Bolzen durchstieß den Harnisch im Rücken, der zweite in Brusthöhe. Alexios spürte den dumpfen Schlag und

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