Byzanz
den Druck, wie damals beim Turnier gegen Hunyadi. Er stolperte. Ein Janitschar mit dem Gesicht eines griechischen Bauern glaubte, dass Alexios Angelos das letzte Leben verröchele, und wollte ihn enthaupten. Das wurde ihm zum Verhängnis. Denn der Fürst richtete sich auf, schleuderte ihm den Säbel aus der Hand und rammte ihm das Schwert in die Kehle, dass ihm die Augen aus den Höhlen traten. Dann erschlug er den Mann, der danebenstand. Wieder traf ein Bolzen, diesmal ins rechte Bein. Alexios stürzte zu Boden. Die Angreifer wagten nicht, sich ihm zu nähern. Der nächste Bolzen traf ihn in den Hals und schleuderte ihn nach hinten. Mühsam kam er röchelnd und nach Luft japsend wieder auf die Knie. Da sah er ihn. Auf einem Strahl reinen Lichts kam der Erzengel Georg herab. Er reichte ihm die Hand, und die Bolzen flogen aus seinem Körper und die Wunden schlossen sich. Gemeinsam verjagten sie die Türken aus Konstantinopel, aus Rumelien und aus Anatolien. Die Herrscher der Erde erkannten seine Oberherrschaft an. Alexios aber regierte mit Weisheit, sodass ein jeder Mensch geachtet wurde und niemand Hunger und Not leiden musste im Reich der Rhomäer. Er verfügte, dass die Bankiers und Wechsler neue Berufe lernen mussten, und er kontrollierte die Händler. Zur Rechten beriet ihn Georgios Plethon, zur Linken ein Mann, der sich Platon nannte. Otto von Weißenburg, den er dringend verheiraten musste, sang schöner denn je. So erstand in der Stunde seiner größten Erniedrigung das Reich der Rhomäer neu und wurde groß und mächtig, nicht durch Krieg, nicht durch Betrug, nicht durch Verrat, sondern durch Gerechtigkeit.
In ihrer Wut zerhackten die Janitscharen den Leichnam des Fürsten, der so viele der Ihren getötet hatte und den sie nur durch Armbrustbolzen zu Fall hatten bringen können.
Der Weg zur Hagia Sophia stand offen. Als sie den mit Menschen gefüllten Kirchenraum betraten, entdeckten sie einen Mann in der Kutte eines Mönches, der eine Ikone – den fehlenden Stellen in der Ikonostase nach zu urteilen nicht die erste – abnahm und mit ihr verschwand. In der Wand, einfach so. Es kam ihnen wie Spuk vor, deshalb verfolgten sie ihn nicht. Demetrios, der mit der Rettungsikone nicht fertig geworden war, hatte beschlossen, die Ikonen der Bilderwand zu verstecken, um sie vor Plünderung, Entweihung und Zerstörung zu bewahren. Er kannte die geheimen Ausgänge der Kirche, deshalb glaubten die Türken, dass er in der Wand verschwunden sei. Zu seinem Leidwesen konnte er keine weitere Ikone mehr retten, denn jetzt hausten die Sieger in der Hagia Sophia.
43
Notaras-Palast, Konstantinopel
Nachdem er gesehen hatte, dass die Türken die Stadt von der Landseite her stürmten, gab Loukas die Verteidigung der Seemauer auf und flüchtete in seinen Palast. Er ließ die Türen und Fenster verbarrikadieren.
Eirene kam ihm mit angststarren Augen entgegen. »Weißt du, was mit Nikolaos und Mitri ist?«
»Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass sie einen Turm in der Nähe des Romanus-Tores verteidigen.« Sie verging vor Angst um ihre Kinder, um die, die kämpften, und um die, die sie bei sich im Hause hatte.
»Verzeih mir, Eirene, dass ich nicht Wort gehalten habe und mein Arm doch nicht stark genug gewesen ist.« Dann fing der Großadmiral an, hemmungslos zu weinen. Der Anblick ihres Mannes, der zum ersten Mal in seinem Leben nicht mehr weiterwusste, erschütterte sie. Dann aber zwang sie sich, Haltung zu bewahren, schließlich war sie eine Palaiologina. Tröstend streichelte sie seinen Kopf. »Wir hatten ein gutes Leben. Aber um die Kinder ist mir bang.« Es klopfte an der Pforte. Die Diener ließen Demetrios Kantakuzenos herein, der mit Theodora verheiratet war. Er starrte vor Schmutz und Blut. Tränen standen auch ihm in den Augen. »Heldenhaft haben Mitri und Nikolaos ihren Turm verteidigt. Die Übermacht war einfach zu groß.«
»Du musst dich waschen«, sagte Eirene nur. Sie musste sich darauf konzentrieren, Theodora und Jakub zu schützen. »Haben wir noch ein Schiff?«, fragte sie ihren Mann.
»Ich weiß es nicht.«
»Dann finde es heraus. Wir müssen weg. Jetzt müssen wir weg.« Sie hatte kaum ausgesprochen, da hämmerte es laut an der Tür. Loukas wischte sich die Tränen ab und zog seinen Säbel. Mit gezogener Waffe stand der Großadmiral im Vestibül, entschlossen, sein Haus und seine Familie zu verteidigen. Der Diener öffnete die Tür. Davor stand ein Trupp Janitscharen, aus deren Mitte Halil Pascha
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