Byzanz
ohne Macht und Einfluss vor dir stehe, arm wie die Tochter eines Bauern, was wäre dann?«
»Dann würde ich dich lieben, wie ich dich jetzt liebe. Es ist nicht dein Name, nicht deine Familie, nicht dein Vermögen noch dein politischer Einfluss, auch nicht dein Rang, den ich liebe. Das alles ist armselig im Vergleich mit dir. Sei die Tochter eines Schäfers, eines Kesselflickers, eines Kaufmanns oder eines Kaisers gleichviel, dich, was auch immer dich umgibt, liebe ich. Die ›Nike‹ steht bereit … sie würde …« Seine Worte erstickten in einem Hustenanfall.
Eirene fuhr mit der Hand beruhigend über seine Stirn und seinen bellenden Mund. Behutsam führte sie ihn wieder zu seinem Bett und deckte ihn zu. Dann küsste sie ihn auf die Stirn.
»Ich bin ja da. Ich werde ja immer da sein. Nun werde erst einmal wieder gesund.«
21
Werkstatt des Dionysios, Konstantinopel
Für Demetrios brach die schönste Zeit seines Lebens an. Sein Vater hatte ihm nach beharrlichem Bitten schließlich erlaubt, die Entstehung der Ikone zu verfolgen. Warum es ihn dazu trieb, wusste der Junge nicht, auch dachte er nicht darüber nach. Das Einzige, was er fühlte, war das unerklärliche Verlangen, dabei zu sein, wenn dieses Bild entstand. So verabschiedete er sich nun jeden Morgen von seinem Bruder, der von Tag zu Tag immer mehr zu Kräften kam, so, wie die Ikone auch von Tag zu Tag mehr Gestalt annahm.
Die Arbeit begann mit einem langen, aber beglückenden Herzensgebet, bei dem Meister Dionysios in seiner Seele nach der göttlichen Inspiration suchte.
»Denk immer daran. Johannes Damascenus sagt: ›Es ist aber Gott in seinem herzlichen Erbarmen unseres Heiles wegen wahrhaftig Mensch geworden, nicht wie er dem Abraham in Menschengestalt erschienen ist, auch nicht wie den Propheten, nein, wesenhaft, wirklich ist er Mensch geworden, hat auf Erden gelebt und mit den Menschen verkehrt, hat Wunder gewirkt, gelitten, ist gekreuzigt worden, auferstanden, in den Himmel aufgenommen worden, und all das ist wirklich geschehen und von den Menschen gesehen worden, und es ist zu unserer Erinnerung und zur Belehrung derer, die damals nicht zugegen waren, aufgeschrieben worden, damit wir, die es nicht gesehen, aber gehört und geglaubt haben, der Seligpreisung des Herrn teilhaftig würden. Da aber nicht alle die Buchstaben kennen und sich mit dem Lesen beschäftigen, schien es den Vätern geraten, diese Begebenheiten wie Heldentaten in Bildern darstellen zu lassen, um sich daran kurz zu erinnern. Gewiss erinnern wir uns oft, wo wir nicht an das Leiden des Herrn denken, beim Anblick des Bildes der Kreuzigung Christi, des Heil bringenden Leidens, und fallen nieder und beten an, nicht den Stoff, sondern den Abgebildeten.‹«
Nachdem er Demetrios auf den großen Philosophen Johannes Damascenus aufmerksam gemacht und dem Jungen empfohlen hatte, den Kirchenvater aus dem achten Jahrhundert zu studieren, damit er den Glauben künftig besser verstünde, was vonnöten war, um heilige Ikonen zu malen, stellte er die Tafel für das Bild aus bestem und gut abgelagertem Buchenholz her. Myrtenholz wurde zersägt und mit dem Beil Späne abgespalten, so fein wie Federn. Das Holz legte Dionysios in einen Topf, den er mit Erde verschmierte, während auf seine Weisung Demetrios ein Feuer im Ofen entzündete. Der Malermönch stellte den Topf ins lodernde Feuer. Nach einer Weile schlugen auch die Späne im Topf Flammen. Nachdem sie erloschen waren, nahm Dionysios flink den Topf aus dem Ofen und warf trockene Erde darauf.
»Wir nehmen die Späne heraus, wenn sie vollkommen erkaltet sind, dann haben wir die beste Kohle zum Zeichnen«, erläuterte der Mönch. Er gab Demetrios etwas Geld und beauftragte ihn, Dachsschwänze zu kaufen.
Während der Abwesenheit des Jungen bereitete Dionysios den Leim und den Gips für die Grundierung vor. Schicht um Schicht trug er dann den Gips sehr dünn auf und legte die Tafel zum Trocknen hin.
Demetrios kehrte zurück und packte die Dachsschwänze auf den Tisch. Dionysios sortierte die Haare von der Seite aus, die von den Enden warf er in einen Kübel. Mit einer kleinen Schere schnitt er die gleichartigen Haare zurecht und richtete sie auf einem Brett einzeln nebeneinander aus. Dann feuchtete er sie mit Wasser aus einer kleinen Tonschale an und striegelte die Borstenenden mit den Nägeln seiner linken Hand, während die rechte Hand die Haare anzog. Für diese Arbeit ließ sich der Mönch viel Zeit.
»Mühe dich in der Herstellung
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