Cadence Jones ermittelt - Davidson, M: Cadence Jones ermittelt
oft auch ein und demselben Beobachter. Obwohl schon längst in mittleren Jahren, trug sie eine richtig angesagte Trendfrisur. Die Farbe ihrer Haare war zwar Silber, der Schnitt jedoch ein Pagenkopf im typischen kinnlangen Style junger Mädchen. Michaelas klare grüne Augen sprühten vor Leben, waren jedoch in Krähenfüße gebettet. Und zu ihrem klassischen Ann-Taylor-Kostüm trug sie Laufschuhe. Eine sehr interessante Wahl, denn niemand von uns hatte sie jemals laufen oder auch nur schnell gehen sehen.
Und hier stand sie also in der Küche. Nicht in ihrem schicken Chefinnenbüro aus edlen dunklen Hölzern, die Aktenschränke voller geheimnisvoller Berichte verkleideten. Sondern in der Küche!
»Hi.« Ich wusste, dass meine Stimme zaghaft klang, konnte aber nichts dagegen tun. Ich hasste es, wegen der Taten der beiden anderen in Schwierigkeiten zu geraten. Normale Menschen können sich von ihren ungeliebten Geschwistern – wie heißt es noch gleich? – distanzieren . »Äh, hi? Wie läuft’s denn so?«
Michaela gab keine Antwort, was mich allerdings nicht sonderlich überraschte. Sie verachtete Smalltalk fast ebenso sehr wie Shiro. Nach der Anzahl der Schüsseln zu schließen, die sie auf dem Tisch aufgereiht hatte, wurde es ein Salat der Alarmstufe vier. Gott steh uns bei.
Sie kratzte klein gehackten Sellerie in eine Plastikschüssel. Wie immer war ihre Zubereitungsweise zügig und effizient.
Michaela war mit dem Sellerie fertig, wischte die Messerklinge ab, trat an den Kühlschrank und wühlte in der Gemüseschublade (und wehe der Praktikantin, die ihre kostbaren Eiertomaten in den Kühlschrank gelegt hatte – denn das verdirbt ihren Geschmack). Sie nahm zwei Salatgurken heraus und begann sie mit einem der vielen Dutzend Messer zu schneiden, die sie eigens in einer Schublade neben dem Hackklotz hortete. Wenn sie die Messer nicht brauchte, war die Schublade sorgfältig zugesperrt.
Michaela schloss jedoch nicht ab, weil sie befürchtete, einer ihrer hochgradig gestörten Untergebenen könnte durchdrehen und das Hackebeil zur Hand nehmen – immerhin besaßen wir alle einen Waffenschein. Nein, unsere Chefin hatte nur Angst um ihre kostbaren Wustof-Messer, die sie extra von zu Hause mitgebracht hatte.
»Was hat Ihnen Angst eingejagt?«, fragte sie schließlich, ohne von ihrer Salatgestaltung aufzuschauen.
So entspannen sich die Gespräche mit Michaela immer wieder: Wenn sie endlich zu sprechen anhob, hatte man längst vergessen, wozu man überhaupt gekommen war.
Ich versuchte mich zu erinnern. »Also, wir waren am Tatort … und ich sah … ich meine, mir fiel auf, dass der Mörder vielleicht versucht, uns, äh, eine Botschaft zukommen zu lassen.«
Michaela zog eine silberne Augenbraue in die Höhe. »Natürlich tut er – oder sie – das.«
»Ich meine, äh, mir. Uns, will ich damit sagen. Uns ganz persönlich.«
Sie kniff die Augen zusammen und hackte noch stärker drauflos. Gurkenscheiben segelten durch die Luft, bevor sie in eine leere Schüssel fielen. »Uns? Meinen Sie damit BOFFO? Oder Shiro und Adrienne und sich selbst?«
»Letzteres.« Verdammt! Die bloße Vorstellung machte, dass ich mich in eine dunkle Ecke meines Gehirns verziehen und für den Rest der Woche dort verstecken wollte.
»Was hat den Anstoß gegeben?«
»Die Drei Tenöre. Die Daten auf den Kalenderblättern. Variationen auf die Zahl drei. Und dass ich ein Drilling bin.«
»Zu vage«, kommentierte Michaela. Sie hatte ja recht. Aber manchmal weiß man es eben einfach. Das mag einem Laien unsinnig erscheinen, aber ab und zu fühlt man etwas, das zu einer Vermutung führt. Und diese Vermutung – man weiß einfach, dass sie richtig ist, weil sie sich so anfühlt. Es ist, als ob man ein Rätsel löst, das man nicht einmal gekannt hatte.
»Ja«, gab ich zu. »Aber ich habe recht. Wir haben recht, meine ich.«
»Es war also folgendermaßen: Die Vorstellung hat Ihnen Angst eingejagt, und da ist Shiro aufgetaucht, um Sie zu beschützen und den Tatort ein wenig objektiver zu studieren.«
»Klar. Jedenfalls nehme ich es an.«
»Und dann hat Nessman mit Shiro über Integrierung gesprochen … «
»Er hat was? « Ich spürte, wie ich blass wurde. »Was ist denn mit dem los? Warum sollte er so was tun?«
»Er hat das letzte Thema angepackt, das Ihnen den Rückweg zu geistiger Gesundheit ebnen könnte. Dafür hatte er mein Okay und meine volle Unterstützung.«
Also echt, verdammt. Kein Wunder, dass Adrienne aus meinem Kopf
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