Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
zu morden.
Eine Intelligenzbestie war der Mann auch nicht: Tests hatten einen IQ von 109 ergeben. Serientäter müssen natürlich keinen so herausragenden IQ wie Ted Bundy haben. Er könnte aber durchaus hilfreich sein.
Behrman war überdies ein Männerhasser und hatte vor seiner Haft Jungen verletzt. Also mussten wir mit ihm reden, wenn auch nur, um ihn von der Liste der Verdächtigen zu streichen. Obendrein war es eine gute Gelegenheit zu sehen, wie sich Emma Jan in einer Situation, die (vermutlich) nicht lebensbedrohlich war, bewährte.
Ich war froh, dass wir uns endlich wieder unserer Arbeit widmeten, denn die Frau machte mich zunehmend nervös. Und der Rückspiegel machte mich gleichfalls nervös. George nicht. Er war ja stets auf Nervenkitzel aus.
Aus reiner Schikane hatte er sich geweigert, nach Verlassen des Highway 149 vor West St. Paul in einer Shopping Mall haltzumachen, damit ich mir vor dem Verhör noch einen Frappuccino gönnen konnte. So waren wir einige Minuten zu früh angekommen.
Der Trailer-Park mit dem hochtrabenden Namen Heron Estates bot den Augen eine Ansammlung schrottreifer Wohnmobile, kaum mehr als zwei Dutzend, in verblichenem Blau-Weiß, Grün-Weiß und Gelb-Weiß.
Wie immer ließen sich in Trailer-Parks zwei Arten von Bewohnern ausmachen. Die gleichgültigen Chaoten zum Beispiel, die ihre Gefährte einfach auf dem Rasen parken. Sie streichen ihre Wohnwagen alle vierzig Jahre und mähen den schäbigen Rasen alle zehn. Schotterstraßen und spärliche Vegetation lassen ihre Habitate stets verdorrt aussehen, sogar mitten im Dezember. Man kann die Verzweiflung gewissermaßen riechen und hört im Geiste eine Filmmusik wie in Schutzlos – Schatten über Carolina .
Die anderen Bewohner kümmern sich pfleglich, ja geradezu pedantisch um ihren Besitz. Sie streichen ihre Wagen jedes Jahr neu und pflanzen tonnenweise Blumen an. Sie mähen Rasen wie die Besessenen. Ihre Mobilheime sehen wie Mini-Landhäuser aus, und das wirkt umso tragischer, als ihr Gegenüber auf der anderen Seite der Schotterstraße meistens eine Ruine ist.
Behrman gehörte zur ersten Gruppe, er wohnte in einem ehemals gelben Mobilheim, das stark vernachlässigt aussah. Der schmutzige Schnee im spärlichen Vorgarten war mit den Pfotenabdrücken eines kleinen, deprimiert aussehenden Hundes übersät. Wir konnten an den Spuren seiner Kette erkennen, wie oft er sie durch den Schnee gezogen haben musste.
Die Kette führte uns zu einem winzigen schwarzen Labrador, oder vielleicht war es auch ein riesenwüchsiger Dackel. Er betrachtete unser Herannahen mit zuckenden Augenbrauen, erhob sich dann von dem Lager, das er sich in den Schnee gebuddelt hatte, und wedelte zaghaft mit dem Schwanz. Es war ein sehr magerer und sichtlich furchtsamer Hund. Auf seinem Kopf saß ein kleiner weißer Tupfen, ansonsten war er pechschwarz.
»Ha«, machte George. »Ein vernachlässigter Köter an der Kette vor einem Misthaufen von Trailer. Was soll man dazu noch sagen?«
Emma Jan sagte gar nichts. Sie griff lediglich in ihre Handtasche, die die Größe einer Bowlingkugel hatte, und holte einen Muffin heraus. Der Muffin war zwar nicht mehr verpackt, aber noch heil. Das reinste Wunder, da sie in ihrer Tasche außerdem eine Bürste, ein Portemonnaie, einen ChapStick-Lippenstift (bäh! Den Geschmack kann ich nicht ausstehen … als äße man eine Kerze), einen Ersatz-Ladestreifen, Kleenex, eine Sonnenbrille und Erdnüsse hortete. Und das war nur das, was ich gesehen hatte.
Emma Jan zerbrach den Blaubeer-Muffin in Stücke und lockte den Hund. Er musste wohl hungrig sein, zögerte jedoch näher zu kommen. Doch dann überwand er seine Scheu und trottete auf unsere Kollegin zu. Er nahm die angebotenen Brocken, zuckte jedoch immer wieder, als sei das Futter ein fieser, hinterhältiger Trick. Als rechnete er damit, geschlagen zu werden … nur, dass er nicht wusste, wann und wo der Hieb fallen würde.
Ich konnte mir schon denken, wen der Hund so fürchtete. Emma Jan auch.
Sie presste die Lippen so fest aufeinander, dass ihr Mund einen Strich bildete, und sagte: »Manche Leute verdienen einfach keinen Hund.«
»Du hättest seinen Besitzer vielleicht um Erlaubnis bitten sollen«, sagte ich und hasste mich dafür, ein solcher Tugendbold zu sein. Aber ich konnte einfach nicht anders, als mich an Regeln zu halten. »Es ist, öh, gar nicht cool, das Grundstück eines Fremden zu betreten und seinen Hund zu füttern.«
»Ungewöhnlicher Todesfall Nummer
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