Caesar erwacht!
Caesar. Basta! So sehr hatte Nicole ihn auf diesen Pfad geführt, dass jetzt ein Umdenken nicht mehr möglich war.
Jean-Luc, der fröhliche Pragmatiker, konnte sich besser in seine Schwester hineinversetzen. Es war leicht, zu beiden Ergebnissen zu tendieren, wenn der Mann einen derart wankelmütigen Eindruck machte. Daher empfahl er Nicole, alles am besten auf sich zukommen zu lassen. Jean-Lucs Tag in Rom war von wohlwollenden Göttern arrangiert worden. Ein netter Römer hatte seinen Weg gekreuzt und an ihm Gefallen gefunden. Jo hatte sich nach seinem Abgang alleine durch dicke historische Wälzer quälen dürfen, was ihm aber nichts ausgemacht hatte.
Der warme Sommerabend lockte alle drei aus dem Hotel, und so vergaßen sie für einige Atemzüge ihres Lebens, welche übermächtige Herausforderung eventuell noch auf sie zukommen könnte.
Auch in der Ewigen Stadt stand Nicole einer ihrer indischen Taxi-Chauffeure zur Verfügung. Jean stieg etwas widerwillig in das Gefährt ein und sah seine weibliche Duftnote schon, von Curry und Knoblauch überdeckt, schwinden. Überraschenderweise duftete es innen jedoch, für Jean-Luc angenehm, nur nach Jean-Luc. Shankar, angetreten ohne Turban, hatte im Gegensatz zu seinen Brüdern einen italienischen Touch und ersparte seinen römischen Fahrgästen jegliche indische Zugabe. Das war sicher nicht im Sinne von Rajesh, dem Oberhaupt, der seinen weltweiten Konzern mit zehn Taxen strikt auf dieses indische Marketingkonzept ausgerichtet hatte. Nicole musste etwas schmunzeln, bei dem Gedanken, wie Rajesh seinem Bruder die Leviten lesen würde, weil in seinem römischen Außenposten statt traditioneller Bömmelchen nur spaghettiartige Fäden am Fenster hingen. Shankar hieß seine Gäste herzlich willkommen, und los ging die Fahrt.
Jean-Luc bekam eine Sightseeing-Tour jenseits der Touristentempel verpasst, obwohl sie einige bedeutende Anlagen streiften. Am Circo Massimo hielten sie an und stiegen aus. Hinter dieser antiken Pferderennbahn gelangten sie zur Kirche Santa Maria in Cosmedin. Der Bocca della Verità, eine Steinfigur für Wahrheitsfindung, empfing sie dort mit offenem Munde.
Wie es die Tradition verlangte, steckte Nicole ihre Hand hinein und meinte: „Wenn gar nichts mehr hilft, werde ich Sovrano hier schwören lassen, dass er nicht Caesar ist.“ Ihr Humor hatte sie noch nicht verlassen.
„Ist er ja auch nicht. Er ist nur sein Clown“, bemerkte Jean-Luc.
„Jean, du wirst sehen, er ist weit jenseits von einem Clown. Er ist durch und durch ein Mann mit Tatkraft, eisernem Willen und überirdischem Charisma.“
„Hmmm, durch und durch männlich? Ich bin begeistert. Ich werde ihn mir morgen genauer betrachten.“
Jean-Luc machte die typische Handbewegung für den Empfang eines Handkusses und erhielt dafür von Nicole einen sehr strafenden Blick. „Wehe, wenn du dich nicht benimmst!“
Die nächtliche Tour führte sie noch durch etliche Gassen und Winkel, bis sie ganz ausgelaugt, weit nach Mitternacht wieder am Hotel anlangten.
In den frühen Morgenstunden gönnte sich Nicole etwas Ruhe, während ihre zwei Musketiere noch selig in ihren Betten schlummerten. Sie nutzte die Zeit und rief Gowan an. Christian war am Apparat, der Druide war kurzpflichtig seinen Babysitterpflichten entronnen. So konnte sie ihrem Sohn nur mitteilen, was sich ereignet hatte und dass sie heute unterwegs sein würden. Er war ungewöhnlich unruhig und gab seiner Mutter kaum Zeit für lange Erklärungen. Das Umfeld von Gowan schien ihn sehr in Anspruch zu nehmen. Nicole vermutete, dass ihre Söhne, begeistert von der elitären Pädagogik, zum traditionellen Druidentum konvertieren würden.
Es gibt Schlimmeres, sagte sie sich, gab ihrem Jüngsten noch einen Kuss durchs Telefon und legte auf.
Sie war selbst so mit einer fremden Welt beschäftigt, dass sie kaum noch einen Gedanken für Bob übrig gehabt hatte. Wo mochte er wohl stecken? Sie konnte sich gut vorstellen, dass ihm diese entscheidende Wahl nicht leicht fiel. Sie stöhnte leise bei dem Gedanken.
Aber fängt er nicht wieder bei null an? Da hast du ihm aus dem Dreck geholfen, ihm Hoffnungen gemacht, und nun kümmerst du dich nicht mehr um ihn. Ich werde sofort nach meiner Rückkehr anrufen und fragen, wie es ihm geht. Er war ihre Zuneigung ganz bestimmt wert. Sie bestellte ein reichhaltiges Frühstück aufs Zimmer und weckte Jo und Jean-Luc.
Aus irgendeinem Grund erschien Nicole das Auftauchen der alten, schwarzen
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