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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dorthin suchte Aurelius die Latrinen auf; dort traf er einen alten Bekannten.
    »Orgetorix - diesmal nicht hinter den feindlichen Reihen unterwegs?«
    Der Gallier hielt sich mit einer Hand die Nase zu, deutete mit der anderen unter sich und wäre fast vom Balken gerutscht. »Die Reihen da unten sind feindlich genug. Gerade rechtzeitig angekommen? «
    »Rechtzeitig wozu?«
    »Zum großen Gemetzel.«
    »Wahrscheinlich. Magst du erzählen?«
    Orgetorix nahm eine Handvoll Laub aus dem bereitstehenden Weidenkorb wischte sich den Hintern, zog den Leibschurz hoch und deutete mit dem Kinn auf eines der flachen Häuser in der Mitte des Lagers. »Komm, laß uns einen Schluck Bier trinken. Was willst du wissen?«
    »Dasselbe wie immer - wie‘s weitergeht. Und wie es dazu gekommen ist.«
    Eigentlich gab es gar kein Lager, sondern eine lange Kette von Zelten und Holzhäusern. Wenn der Belagerungsring fertig war, würde er einen Umfang von etwa zehn Meilen haben. Die Truppen waren entsprechend weit verteilt, um an den Befestigungen zu arbeiten, Ausfälle zurückzuschlagen und zugleich aus der nahen und ferneren Umgebung Bauholz, Nahrungsmittel und Futter herbeizuschaffen.
    Die Stadt lag auf einem Hügel, dessen Ausläufer an zwei Seiten auf Wasserläufe stießen. Am Osthang hatten die Gallier einen Graben und eine sechs Fuß hohe Mauer aus Lehm und Kies gezogen. In der nicht allzu ausgedehnten Ebene vor dem Hügel lag das Hauptlager der Römer, und an geeigneten Stellen der langen Umfassung gab es die weiteren Lager, dazu dreiundzwanzig Kastelle.
    In der Ebene hatte es zu Beginn der Belagerung ein Reitergefecht gegeben, das Caesars Germanen, unterstützt durch Fußtruppen, entschieden, weil die überlegene Masse gallischer Reiter sich zwischen der eigenen Mauer und den römischen Anlagen nicht entfalten konnte.
    »Vercingetorix hat alle Reiter weggeschickt«, sagte Orgetorix. »Sie sollen Verstärkung auftreiben, ganz Gallien. Zur Verteidigung bei einer Belagerung taugen Reiter sowieso nicht.«
    Sie saßen im Schatten des Vordachs und tranken verdünntes Bier, in das sie ältliches Brot tunkten. Hinter ihnen, in dem flachen Haus, das den Offizieren der Zehnten Legion und dem Stab von Caesars Leibkohorte als Speise und Versammlungsplatz diente, bereiteten Küchensklaven ein Abendmahl vor. Im Licht der Nachmittagssonne zog sich vor ihnen der Wall mit Palisaden scheinbar in die Unendlichkeit; wo er sich wabernd aufzulösen schien, schwebte auf den heißen Luftschichten ein Kastell aus Schlieren. Überall wimmelte es von schwarzen Punkten: Sklaven und Soldaten, die den Wall verstärkten, wachten oder mit Gespannen Holz aus den umliegenden Wäldern herbeischafften.
    »Wo hast du dich herumgetrieben?« sagte Aurelius. »Oder warst du die ganze Zeit dabei?«
    Orgetorix verzog das Gesicht. »Mein Nutzen hat sich erschöpft«, murmelte er. »Inzwischen wird überall im freien Gallien der Verräter Orgetorix gesucht. Wer ihn tötet, kann sich die Belohnung aussuchen.«
    »Sagtest du ›freies Gallien‹?«
    »Kein Spott, Aurelius. Bald wird alles römisch sein.«
    »Wenn du das so siehst, warum dienst du dann Caesar?« Orgetorix seufzte und starrte in seinen Becher. »Wer die Dinge sieht, wie sie sind, muß manchmal tun, was er eigentlich nicht tun will.«
    »Und wie sind die Dinge?«
    Der Gallier hob die Augen und sah ihn an; der Blick schien aus einer hoffnungslosen Unterwelt zu kommen. »Wenn Vercingetorix siegt, werden die nächsten Legionen kommen. Wenn Caesar stirbt, wird ein anderer seinen Platz einnehmen. Rom duldet keine Freiheit. Wir können kämpfen und sterben, oder wir können unter Roms Herrschaft versuchen, erträglich zu überleben. Ich habe mich für die zweite Möglichkeit entschieden. Und wahrscheinlich war das falsch.«
    »Bedauerst du die Entscheidung?«
    Orgetorix hob die Schultern. »Hier und jetzt weiß ich es nicht. Ich bin mir nur sicher, wertn‘s ums Überleben geht, und ich meine, jetzt überleben, innerhalb der nächsten Monate, hätte ich auf der anderen Seite bessere Aussichten.«
    Aurelius runzelte die Stirn. »Meinst du, Alesia übersteht die Belagerung?«
    »Ich meine, wir überstehen sie nicht. Da drinnen« - er deutete dorthin, wo hinter der Ecke des Hauses die Stadt lag - »sind achtzigtausend Kämpfer. Wir hier sind an die sechzig, tausend. Und nach allem, was wir in den letzten Tagen gehört haben, werden bald um die zweihunderttausend Krieger auftauchen, um Vercingetorix zu helfen und uns zu den

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