Cafe con Leche
dann gehen wir zum Tor hinaus, Richtung Estella. Meine dicke
Freundin el sol erwacht über Puente la Reina. Über die schöne, alte Brücke geht
es zur Stadt hinaus. Nach ein paar Kilometer geht es schon wieder, wie soll es
auch anders sein, steil bergauf.
Ich
mag gar nicht hoch schauen. Die Erde ist total ausgetrocknet. Überall sind
tiefe Risse zu sehen. Und el sol, die dicke Sonne, gibt mal wieder alles. Ich
will den Berg vor mir nicht sehen! Wehmütig denke ich an den Bus!
„Kann
der Weg nicht einmal seicht hoch gehen? Muss das immer so extrem steil
ansteigen?”, sage ich mal wieder keuchend zu Christine.
„Ich
dachte, wenn wir die Pyrenäen geschafft haben, geht das bis Santiago flach
weiter, wie in Ostfriesland. Nichts gegen Anstrengung! Aber das ist ja jeden
Tag die absolute Anstrengung!”
Jetzt
ist es Chris, die mir ins Wort fällt.
„Mama!
Kannst du mal mit dem Meckern aufhören! Du bist nur am stöhnen. Irgendwann ist
das bestimmt nicht mehr so steil. Wir können ja nachher eine Pause machen.”
So,
so, ich stöhne nur !, denke ich wütend.
Ich
habe keine Lust mehr! Ich hasse dieses Hoch und Runter! Jeden Tag das Gleiche!
Schwitzen, Keuchen, Stöhnen! Meine Naivität geht mir auch auf den Geist!
Manchmal habe ich von den Dingen, die ich in meiner Spontanität so mache, gar
keine rechte Vorstellung. Da springe ich einfach ins kalte Wasser und bin
anschließend erstaunt, wenn ich gar nicht so recht schwimmen kann!
Nur nicht hochschauen!
Aber
nun habe auch ich mitbekommen, dass es bis Santiago hoch und runter geht und,
dass die Nächte hier in siebenhundert Meter Höhe doch recht kalt werden. So kraxel ich mal wieder hinter Christine her und sage nichts
mehr. Fast alle dreißig Meter bleibe ich stehen, weil ich das Gefühl habe, das
alles nicht mehr zu schaffen. Heute habe ich einfach die Nase von allem voll!
Apropos Nase! Ich habe selten Schnupfen, aber sobald ich hier den Rucksack
aufhabe und ein paar Meter gehe, fängt meine Nase an zu laufen. Seit Beginn
unseres Pilgerns ist das schon so. Wer weiß! Vielleicht befreie ich mich ja hier
auf dem Camino von meinen alltäglichen Sorgen. Sagt man doch, wenn einem etwas
zu viel wird, ich habe die Nase voll. Ich will heute darüber nicht nachdenken!
Ich will eigentlich über gar nichts mehr im Moment nachdenken!
In
Cirauqui machen wir an einem kleinen Lädchen Rast. Der Rucksack fällt von
meinem Rücken und ich sinke auf einem der Stühle, die draußen stehen. Wir
bestellen Cola. Für einen Café con leche ist es mir zu heiß. Meine Beine
zittern vor Anstrengung. Christine ist auch geschafft. Nachdem es mir besser
geht und ich meine Cola geschlürft habe, stehe ich als Erste auf und sage:
„Komm, du hast ja wirklich recht. Lass uns weiter gehen. Ich mecker auch nicht mehr. Zumindest will ich es versuchen!”
Vorbei
an großen Feldern geht es noch mal hoch noch Lorca, immer der Schnellstraße
entlang.
Chris
zückt die Kamera und will Fotos machen. Nichts tut sich. Der Akku ist mal
wieder leer.
„Mama,
kannst du mir mal den anderen Akku geben?”
Vor
der Reise habe ich noch einen zusätzlichen Akku gekauft.
„Guck
mal in meinen Rucksack, in der obersten Tasche, da müsste das drin sein”, sage
ich.
Chris
kramt den Akku heraus und wechselt es aus. Auch nichts! Die Kamera bleibt
stumm. So ein Mist! Wir wollten die Akkus gestern Abend noch aufladen. Aber an
jeder auffindbaren Steckdose hingen schon Aufladegeräte und dann haben wir
nicht mehr daran gedacht.
„Schade”,
sagt Chris. „Wären bestimmt schöne Fotos geworden.”
So
geht es halt ohne Fotos bis Estella. Zuerst etwas bergab, dann wieder bergauf.
Ich meckere nicht! Da wir Estella am frühen Nachmittag erreichen, mache ich
nochmals einen leisen Versuch bezüglich der Busfahrt.
„Sollen
wir nicht doch noch mit dem Bus bis nach Logroño? So sind wir ein Stück weiter
und können es morgen bis nach Nájera schaffen. Das sind auch dreißig
Kilometer.”
Und
dann, Wunder über Wunder! Christine ist von der Busfahrt angetan und schon sind
wir auf der Suche nach einem Bus.
Eine
Bushaltestelle? Nein, da müssen Sie zur estación de autobus, hören wir von den
Leuten.
Eine
Frau erklärt uns in ihrem flotten Spanisch, wie wir den Busbahnhof finden. Gut,
dass sie ihre Erklärungen mit Handbewegungen unterstreicht. So wissen wir im
wahrsten Sinne des Wortes, wo es lang geht. Der Busbahnhof ist riesengroß. Aus
Lautsprechern werden die ankommenden Busse gemeldet.
„Fast
wie
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