Cafe con Leche
ich, mir kaum vorstellend, diesen Weg mit all den
Strapazen auch noch freiwillig zurückzulaufen.
„Ja,
ich habe jetzt genügend Zeit. Ich bin Rentner und wollte diesen Weg schon immer
hin- und zurückgehen.”
Er
liest wohl mein Erstaunen in meinen Augen.
„Das
ist ja aller Ehre wert, wie meine Schwiegermutter immer so schön sagte”,
erwidere ich. „Aber wir sind froh, wenn wir überhaupt in Santiago ankommen. Das
ist ja noch ein ganz schönes Stück!”
„Wenn
Sie mit wenig auskommen können, schaffen auch Sie es!”
Christine
ist wieder zurück gekommen und gesellt sich zu uns.
„Aber
wenn Sie durch die Meseta kommen, kann ich Ihnen nur raten, dass Sie
ausreichend zu Trinken dabei haben!”, sagt er. Die Meseta ist das kastilianische Hochland und liegt in einer Höhe von 650 bis 900
m. Dort ist es tagsüber sehr heiß und viel Schatten gibt es nicht. Die Meseta beginnt kurz hinter Burgos. Viele Pilger fahren
von dort aus mit dem Bus nach Leon, weil sie nicht durch die heiße Meseta laufen wollen. Und wenn ich Ihnen noch eines empfehlen darf...
Trinken Sie Cola! Das erweckt die müden Geister!”
„Einen
guten Weg noch und vielen Dank für die Ratschläge. Buen camino”, wünsche ich
ihm und dann geht jeder seines Weges. Er zurück nach Deutschland, wir hin nach
Santiago und dann weiter nach Finisterre.
„Siehst
du Mama! Cola hat doch was für sich”, sagt Chris zu mir. „Du solltest auch Cola
trinken.”
„Ich
mag aber nicht so gerne Cola. Mir ist ein Kaffee lieber.”
Unsere
Welt ist wohl wieder in Ordnung und wir gehen weiter. Chris, die bergauf
wesentlich behänder ist als ich, ist schon fast oben. Sie läuft viel
kontinuierlicher. Wie macht sie das bloß? Sie muss wohl eine bessere Muskulatur
haben, ist meine Erklärung. Anders kann ich mir das nicht vorstellen. Meine
Beine schreien ja schon, wenn der Weg nur ein wenig steiler wird. So krieche
ich, immer wieder stehend bleibend, zum Gipfel empor. Christine wartet schon
oben auf mich.
„Der
Wind hier oben tut gut”, sage ich ihr, als auch ich endlich auf dem Plateau
stehe. Und dann sehe ich die Figuren zu meiner rechten Seite.
Alto
del Perdòn
„Das
sieht ja hier aus wie der Auszug aus Ägypten! Oder wie eine Normadenwanderung.
Das ist ja toll! Oder?!” Ich bin total begeistert. Esel, Hunde und Menschen.
Alle sind aus Metallbleche hier oben angebracht worden. Alles steht auf dieser
Anhöhe und zieht wie in einer Karawane stillschweigend des Weges, Richtung
Westen.
Christine
holt die Kamera aus ihrem Rucksack. Klick — Klick, die Fotos sind im Kasten.
„Sieh
mal, die vielen Windkrafträder dort hinten. Die Spanier machen wohl viel in Sachen
Ökologie”, sage ich. Meine Pause dauert eine Zigarettenlänge, dann wird es
wieder für uns Zeit, weiter zu gehen.
„Jetzt
geht es nur noch runter, Mama!”
Ach,
was ist meine Tochter doch rührend um mich besorgt! Vielleicht übersehe ich
diese Art von Christine und denke immer, sie sei so streng, weil ich mich mit
mir entgegen gebrachter Fürsorge schwer tue. Obwohl es wirklich nur bergab
geht, bin ich total fertig, als wir Puente la Reina erreichen. Die Sonne
scheint erbarmungslos. Der Asphalt wirft die Hitze zurück und die Atemluft ist
unangenehm heiß.
„Ich
muss etwas trinken, Chris. Ich kann keinen Schritt mehr gehen.”
Das
nächste Café ist auch schon da. Diesmal setze ich mich nicht nach draußen. Ich
verglühe! Drinnen ist es angenehm kühl und ich werde zur flottesten
Colatrinkerin. Direkt zwei Gläser hintereinander! Mein Gott, tut das gut!
„Mama,
du trinkst Cola?” Christine lacht.
„Das
erweckt doch die müden Geister wieder. Hat der ältere Herr gesagt!” Dann fische
ich die Zitronenscheibe aus dem Glas und lutsche sie aus. „Vitamine, ich muss
was für die Gesundheit tun!”
Christine
verzieht das Gesicht. Jetzt lache ich. Nach einiger Zeit wird mir doch kühl und
ich hänge mir das Badehandtuch um den Körper. Chris schaut mich vorwurfsvoll an
und meint: „Mama, das sieht aus! Du bist doch hier nicht in der Sauna!”
„Ich
bin total nassgeschwitzt, und wenn ich jetzt abkühle, erkälte ich mich oder
kriege gar noch eine Lungenentzündung. Du solltest dir auch deinen Schal
umhängen!”
Ich
lasse trotz Christines Bemerkung das Handtuch um. Chris gibt in ihrem besten
Spanisch die Bestellung auf. Wir essen beide eine mit Spinat gefüllte Tarta.
Anschließend brechen wir zur Herberge auf.
Dort
angekommen, nehmen wir all unsere
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