Cafe con Leche
meinst du, den anderen fliegt das alles zu? Hast
du nicht gestern noch festgestellt, dass nach jedem Tief ein Hoch kommt?
Anstrengung hat selten etwas mit Freude zu tun. Aber wenn du dann den Erfolg
siehst, kommt die Freude. Nun bist du halt ein bequemer Mensch. Doch erfüllt es
dich dann nicht umso mehr mit Freude, wenn du etwas geschafft hast? Lauf los,
deine Tochter wartet auf dich! Du schaffst das!
Ach
was wäre ich nur ohne mein Stimmchen! Manchmal kannst du mich mal!
Meine
Beine sind wie Pudding. Ich laufe los. Schritt für Schritt gehe ich durch die
Hölle. In der letzten Biegung kommt Christine mir entgegen und reicht mir die
Hand. Die letzten Meter zieht sie mich hoch. Mein Gott! Ich habe es geschafft!
Ich bin oben! Erst fällt der Rucksack und dann falle ich ins Gras. Chris holt
ihre Wasserflasche und gibt mir zu trinken. Ein paar Minuten verstreichen, bis
ich mich wieder erholt habe.
Meine Hölle! — Castrojeriz
desde el Alto de Mostelares
„Siehst du, Mama! Ich
hab doch gesagt, du schaffst das. Wie, ist doch egal! Hauptsache, du hast es
geschafft!”
„Ach
Chris!” Ich stehe auf und drücke sie. „Danke, dass du mir die Hand gereicht
hast. Du bist ein Schätzchen!”
Sie
holt Schokoladenkekse aus ihrem Rucksack und dann essen wir heilige
Marienkekse. Dass die nicht bei dieser Hitze geschmolzen sind, wundert mich
doch sehr. Nach der kleinen Stärkung geht es weiter. So steil, wie es hoch
gegangen ist, so steil geht es auch wieder runter, in ein schattenloses Tal
voller Kornfelder. Wir überqueren den Rio Pisuerga und kommen endlich in ein
schattiges, kleines Waldgebiet. Mücken und Fliegen sind von unserem Besuch wohl
ganz angetan. Sie surren und schwirren unermüdlich um mein Gesicht, dass ich
gar nicht weiß, wie mir geschieht . Nur Mund und Nase
zu! Nichts wie durch! Bloß keine zusätzlichen Proteine! Vielleicht sind das ja
die Pilgerfliegen und Mücken von Zariquiegui! Ich bin heilfroh, als wir den
Wald verlassen und ich wieder durchatmen kann. Kornfelder, wohin das Auge nur
blickt, tun sich vor uns auf. Kurz vor Boadilla del Camino treffen wir mitten
am Wegesrand auf einen kleinen Stand, an dem wir uns etwas zu Trinken kaufen
können. Eine schöne, kalte Quelle ist zwar vorhanden, aber mir schmeckt dort bei
einer Zigarette doch eher eine Tasse Café con leche. Christine trinkt eine Cola
und wir kommen mit José, dem Hüter des Standes ins Plaudern. Wir lachen und
reden mit Händen und Füßen. José erzählt, dass aus dem meisten Korn in dieser
Region Bier gebraut wird. Da bin ich aber erstaunt. So, so! Nicht nur die
Deutschen trinken gerne Bier! Dachte ich doch, diese Region sei die Kornkammer
Spaniens fürs Essbare. Wir sitzen mit José noch eine Weile zusammen und
plaudern. Ich natürlich mit Händen und Füßen! Bei so einem schönen Smalltalk
trinke ich noch eine Tasse Kaffee. Chris nimmt diesmal einen Orangensaft zu
sich. Obst gibt es auch zu kaufen. Für das leibliche Wohl des Pilgers ist hier
in dieser heißen Einöde gesorgt! Wir wollen weiter und ich will bezahlen. Doch
Rosé winkt ab. „Donativo”, sagt er. Jeder gibt, soviel er kann! Ich fahre jetzt
nach Frómista. Wenn ihr wollt, nehme ich euch gerne mit.”
Ich
traue meinen Ohren nicht. Habe ich richtig gehört? Er nimmt uns bis nach Frómista
mit? Ja klar! Wir fahren gerne mit! Er baut den Stand ab und wir helfen ihm,
die Sachen in seinem Wagen zu verstauen. Christine setzt sich auf die Rückbank,
wieder im wahrsten Sinne des Wortes, zwischen den Stühlen. Ich sitze auf dem
Beifahrersitz und dann geht es ab nach Frómista. Heißa! Was ist das für ein
tolles Gefühl, gefahren zu werden. Wie in einem Taxi! Die Felder sausen an uns
vorbei. Frómista, wir kommen mit fliegenden Fahnen in einem Mercedes! Dort
angekommen, drückt uns Rosé zum Abschied seine Visitenkarte in die Hand. Kaplan
steht darauf und ich bin hin und weg.
„Sieh
mal Chris. Wir sind von einem Kaplan in seinem Mercedes mitgenommen worden. Die
Geistlichen in Spanien heißen wohl auch Kaplan. Unser José ist ein Kaplan!”
Ich
frage nach seiner Pfarrei, doch José versteht nicht. Chris holt das
Spanischlexikon aus ihrem Rucksack und erklärt José, was ich meine. Als der
versteht, fängt er lauthals an zu lachen.
„No,
no!”, sagt er uns. „Das ist mein Nachname. Ich bin kein Kaplan!”
Jetzt
verstehen wir nicht. Chris wälzt noch einmal das Spanischlexikon. Rosé zeigt
uns die Wörter. Wir verstehen! Und dann löst sich das Missverständnis
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