Cafe con Leche
auf und
wir müssen alle lachen. Fotos werden gemacht; wir drücken uns herzlich und José
bekommt zum Abschied von mir einen Kuss auf die Wange.
José,
unser Taxifahrer
Nach unserem
herzlichen Abschied machen wir uns auf den Weg zur Herberge. Den Stempel in
unserem Pilgerausweis bloß nicht vergessen! Dort angekommen, geht es erst
einmal unter die Dusche. Das heiße Wasser tut gut. Eine Küche gibt es nicht,
dafür aber einen Kaffeeautomaten. Ich ziehe mir einen Kaffee und gehe zu
unserem Hochbett. Chris hat es sich schon unten auf dem Bett gemütlich gemacht.
Die durchgeschwitzten Sachen warten auch auf ein Bad.
An
einem kleinen Tisch im Schlafraum sitzt ein Ehepaar. Beide mögen so um die
fünfundsechzig Jahre alt sein. Er hat einen langen Zopf und ist ziemlich groß
und hager. Sie hingegen ist klein und etwas pummelig. Die beiden unterhalten
sich in einem schönen Schwyzerdütsch. Dann will er etwas ruhen, steht auf und
versucht, sich auf das obere Bett zu hangeln. Auf halbem Weg bleibt er hängen.
Nichts geht mehr! Seine Frau sieht ihm bei seiner Anstrengung zu. Sie beginnt
nun, mit ihm Französisch zu reden. Vielleicht gibt sie ihm ja Anweisungen, wie
er aus seiner misslichen Lage herausfinden kann. Ich schaue mir das Spektakel
an und denke, sie stünde auf, um ihrem Mann in seiner Not zu helfen. Doch
nichts dergleichen geschieht. Er hängt immer noch hilflos, mit seinen Beinen
strampelnd, in der Luft. Sie redet ununterbrochen auf ihn ein, während sie auf
sein T-Shirt zeigt. Es tut mir für ihn leid, wie er sich so quält. Wieder zeigt
sie auf sein T-Shirt und hört dabei nicht auf zu brabbeln. Er hält in seiner
Anstrengung inne und schaut auf sein Shirt. Aha, da ist ein Loch im T-Shirt!
Wichtig das jetzt zu wissen! Mit letzter Kraft hat er es dann doch noch alleine
geschafft und liegt nun keuchend auf dem Hochbett. — Sie hat ihren Mann nicht
nach oben geschupst.
Wir
packen unsere Wäsche, um sie zu waschen. Als alles auf der Leine hängt, gehen
wir in den Ort, denn Chris will noch in die Bibliothek. Der Ort flimmert selbst
am Abend noch in der Hitze. In der kleinen Bibliothek kann sie das Internet
kostenlos nutzen. So stehen wir fast jeden Tag mit Zuhause in Verbindung.
Anschließend gehen wir in ein Restaurant und essen zu Abend. Viele Gaststätten
bieten ein Pilgermenü an. In der Regel bezahlt man dafür neun Euro pro Person.
Wir bestellen nicht das Pilgermenü und sitzen nach zehn Minuten an einem
reichlich gedeckten Tisch. Dafür zahlen wir nur sechs Euro pro Person. Nach dem
Abendessen geht es früh zu Bett. Der Tag war schön, aber doch sehr anstrengend.
Wir sind heute gut dreißig Kilometer durch die Gluthitze Spaniens gelaufen. Das
frühe Aufstehen hat sich gelohnt, denn in den Morgenstunden schafft man mehr,
als in der erbarmungslosen Mittagssonne! Die Rucksäcke stehen an unseren Betten
bereit. Morgen geht es wieder um fünf Uhr raus!
Gute
Nacht, du schöne Welt! Wo immer du auch bist. Ich glaub an dich!
10. Juli 2008
Frómista
— Carrión de los Condes
Bevor das Handy
piepst, bin ich wach.
„Chris,
aufstehen!”, flüstere ich und stupse sie an. Dann schleiche ich mich in die
Küche. Die anderen schlafen noch und nur das Summen des Kühlschrankes ist zu
hören. Am Automaten hole ich mir einen Kaffee und rauche draußen eine
Zigarette. Der Himmel ist Wolken behangen und es ist kalt. Ich muss mir gleich
die Jacke überziehen, denke ich und gehe wieder hinein. Ötzi Jesus und Ötzina,
die ihrem Mann gestern nicht ins Hochbett geholfen hat, sitzen nun auch am
Tisch. Ötzi haben wir ihn genannt, weil er so mager und markant aussieht. Und
Jesus, weil er seine langen Haare zu einem Zopf gebunden hat. Ötzi Jesus ist
ungefähr dreiundsechzig Jahre alt, und da er mit seiner Frau unterwegs ist,
nennen wir sie Ötzina. Während ich zu solch unchristlicher Zeit buenos dias
sage, schlürft er weiter seinen Kaffee, ohne hochzuschauen. Sie sitzt brav,
auch mit gesenktem Haupt, neben ihn. Nun ja, vielleicht war das zu aufdringlich
von mir, sie zu solch früher Morgenstunde anzusprechen. Immerhin, es ist fünf
Uhr! Chris, die auch schon in der Küche ist, hat sich einen Kakao gezogen. Wir
essen stillschweigend Marienkekse mit Bananenscheiben belegt. Das schmeckt wie
immer wirklich gut!
So
gestärkt, brechen wir auf. Unser heutiges Ziel ist Carrión del los Condes. Ein
kurzes buen camino zu Ötzi und Ötzina, dann sind wir auch schon weg. Wir gehen
über die
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