Cafe con Leche
Weg geht hier weiter!”
Ich
lausche angestrengt in die Stille, kann aber nichts von Christine hören. Mir
wird mulmig zumute und ich laufe die Straße zurück. Da kommt Chris mir Gott sei
Dank entgegen.
„Es
geht dahinten weiter”, sage ich erleichtert darüber, sie nicht verloren zu
haben. „Der Weg führt da hinten in den Wald hinein.”
„Sonst
sind die gelben Pfeile immer so gut zu sehen”, sagt Chris. „Das wir aber
ausgerechnet heute, wo wir einmal so früh dran sind, an so vielen Weggabelungen
vorbeikommen müssen!”
„Mach
dir nichts draus”, versuche ich sie zu ermuntern. „Wir sind immerhin die
Ersten. Und das will was heißen!”
Wir
sind die einzigen Pilger in weiter, dunkler Flur und ich bin stolz darauf. So
geht es durch das Wäldchen weiter. Dann ist wieder Feldweg angesagt. Nach zwei
Stunden machen wir an einem Hof Rast. Das Frühstück ist zwar nicht üppig, aber
es gibt Kekse mit Bananen und Kaffee. Gut, dass ich den Gaskocher im Wahn von
Erleichterungsempfindung nicht mit ins Paket nach Deutschland geschickt habe.
Der hat uns doch schon gute Dienste geleistet!
Der
Weg ist gut zu gehen. Nur eine einzige Steigung bisher. Nach der Höhenkarte,
die Chris immer so ausgiebig studiert, sah der Anfang des Weges doch
anstrengender zu gehen aus. So sitzen wir nun an einer Egge, als nach zwanzig
Minuten die ersten Pilger an uns vorbeiziehen. Buen camino hören wir. Buen
camino rufen wir zurück. Dann geht es auch für uns weiter. Etwas später sehen
wir einige Pilger bei ihrer Rast wieder. Frühstücken ist halt für alle wichtig!
Fast alle ein bis zwei Kilometer sind nun einzelne Häuser zu sehen. Überall
sind kleine Speicher auf Stelzen gebaut. Horreo werden sie von den Spaniern
genannt. Meistens sind diese kleinen Hüttchen mit Ornamenten und Kreuzen
verziert. Das sollte die bösen Geister abschrecken, damit die Feldfrüchte, die
darin gespeichert wurden, nicht verderben. Heute sind die Horreos wohl eher als
Kulturgut zu sehen.
Ehemaliger Speicher
für die Feldfrüchte
So
gehen wir im Morgennebel an Felder und Wiesen vorbei. Kühe dösen vor sich hin,
dann geht es wieder in kleine Wälder hinein. Eukalyptusbäume ragen hoch in den
Himmel. Ihre Stämme haben keine Rinde und sehen nackt aus. Ich nehme mir wieder
ein paar Blätter und zerreibe sie zwischen meine Finger. Mmh, was riecht das gut!
Wie ich so meine Nase in die zerriebenen Blätter halte, kommt der japanische
Rex Gildo mit seinem Begleiter daher. Die beiden frage ich jetzt, ob das
wirklich Eukalyptus ist, denke ich mir. Das verstehen sie bestimmt.
„Buen
camino! Eukalyptus?”, frage ich und halte ihnen die Blätter hin.
„Sí,
sí“, sagt der Begleiter und Rex Gildo gibt mit einer kreisenden Handbewegung um
sein Herz und einem tiefen Durchatmen, zu verstehen, dass Eukalyptus gut für
die Gesundheit sei.
„Sí,
si. Gracias”, sage ich diesmal und lache.
Dann
wünschen wir uns noch mal einen buen camino und die beiden gehen des Weges
weiter.
Ich
habe Rex Gildo nicht in eine Schublade gesteckt! Ich bin auf ihn zugegangen!
Das könnte ein Anfang für eine Veränderung sein! Gedankenverloren schaue ich
ihnen nach. In der Ferne kann ich noch das rote Tirolertuch um seinen Hals
erkennen. Wir sind beiden nicht mehr begegnet.
Ich
halte immer noch die zerriebenen Blätter zwischen den Fingern und atme den Duft
tief ein. Tja, wo sind denn dann die Koalas? Jetzt gibt es hier so viele
Eukalyptuswälder, da müssen doch Koalabären in den Baumwipfeln zu sehen sein.
Kein Bär zu sehen! Weder hier noch zu Beginn in den Pyrenäen! Obwohl dort
wirklich zehn Braunbären von der spanischen Regierung (oder war es die
französische?) ausgewildert wurden. Wir lassen die kleinen Wälder hinter uns.
Weiter geht es über die breite Landstraße. Dann wieder über schmale
Dorfstraßen. Diese Etappe ist, obwohl sich die Sonne heute sehr schwer tut, für
mich eine der schönsten Teilstrecken des Caminos. Die Natur bietet Abwechslung
in Hülle und Fülle! Chris legt die Kamera gar nicht mehr aus der Hand. Immer
wieder macht es klick. Fotos von den Eukalyptuswäldern, Fotos von den Hòrreos.
Fotos mit Chris in rosa, weißen oder hellblauen Hortensiensträuchern. Fotos von
zerfallenen Häusern, die noch auf einen Käufer warten. Fotos mit uns beiden an
einem Kilometerstein, auf dem steht, dass es bis Santiago de Compostela nur
noch achtundzwanzig Komma fünf Kilometer sind. Fotos von Weinlauben, unter die
ich
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