Cafe con Leche
gestöhnt
habe, vermisse ich sie jetzt um so mehr. Es ist
ungemütlich kalt! Das deutsche Ehepaar ist in den Ort gegangen, weil es dort
noch einen Kaffee trinken will. Wir sind jetzt die Hüter ihrer Rucksäcke. Chris
holt den Gaskocher und wir brühen uns eine Tasse Kaffee auf. Das ist natürlich
kein Vergleich zu einer leckeren Tasse Café con leche, aber... das liebe Geld!
Nach einer dreiviertel Stunde sieht es hier wirklich wie an einer
Bushaltestelle in England aus. Eine lange Reihe von hintereinander gestellten
Rucksäcken wartet auf Einlass. Diesen Brauch hier finde ich gar nicht so
schlecht. So entsteht kein Gedrängel. Jeder sieht, wann er an der Reihe ist.
Hier gibt es kein: Wer ist der Erste? Ah, du bist der Letzte? Dann sind wir ja
nach dir an der Reihe, usw....
Aber
noch bleibt die Tür verschlossen! So habe ich noch genügend Zeit, mich meinem
Tagebuch zu widmen. Meine Finger sind vor Kälte fast steif. Und dann, als würde
sie sich meiner erbarmen, gewinnt el sol, meine dicke Freundin, die Überhand.
Die Wolkendecke reißt endlich auf und die Sonnenstrahlen wärmen mich. Ich
verharre wie ein Chamäleon regungslos auf der Bank. Die Augen geschlossen, das
Gesicht zur Sonne gerichtet, nehme ich die Wärme dankbar auf. Meine Gänsehaut
legt sich, ich kann die Jacke wieder ausziehen. Mir ist nun endlich warm! Ich
kann weiter schreiben!
Als
ich mir eine Zigarette anzünde, muss ich an die fünfzig Euro denken, die
Traute, meine Seelenschwester, mir auf den Weg mitgegeben hat.
Du
kannst sie behalten, wenn du das Rauchen aufgibst. Mit diesen Worten hat sie
mir das Geld in die Hand gedrückt. Nun ich rauche immer noch! Traute wird ihre
fünfzig Euro wieder bekommen. So ist das mit meiner Sucht und meiner
Abhängigkeit. Mit der Raucherei klappt es halt nicht! Ich glaube, der Wille ist
das Entscheidende. Der will bei mir nicht so recht aufkommen. Damit kann ich
allerdings gut leben! Selbst unser ehemalige Altkanzler, Helmut Schmidt, ist
leidenschaftlicher Raucher. Und der ist immerhin neunzig Jahre alt! Nun will
ich damit nicht behaupten, Rauchen sei gesund. Aber die Zeit, mit der Raucherei
aufzuhören, ist für mich wohl noch nicht gekommen.
Die
Reihe der Rucksäcke hat die Straße erreicht. Punkt dreizehn Uhr öffnet sich die
Tür. Mein Gott, wir sind unter den ersten vier, die rein gelassen werden! Wir
bekommen unseren Stempel in unserem Pilgerausweis, zahlen zusammen sechs Euro
und suchen unsere Betten auf. Kopf- und Matratzenbezug gibt es gratis dazu. Im
Schlafsaal angelangt, nehme ich die schmutzige Wäsche unterm Arm und finde auf
einem kleinen Balkon ein Waschbecken, das wohl für alle Pilger reichen muss.
Daneben stehen zwei Waschmaschinen. Doch Sparen ist angesagt. Als ich den
Wasserhahn aufdrehe, kommt ein Getöse aus dem Wasserrohr. Es hört sich wie ein
knatternder Rasenmäher an. Ich lasse es knattern und wasche, obwohl schon drei
Anwärter hinter mir stehen in Ruhe unsere Wäsche . Zu
Beginn unseres Weges hat es mich sehr irritiert, wenn jemand hinter mir stand,
um auch seine Wäsche zu waschen. Dann hieß es für mich: wasch, wasch, wasch!
Rein ins Wasser, raus aus dem Wasser. Bloß schnell, damit die anderen nicht
allzu lange warten mussten. Das hab ich abgelegt, was mir am Anfang gar nicht
so leicht fiel. Fühlte ich mich doch sehr egoistisch! Aber ich bin auf dem Weg
ruhiger geworden. Nicht mehr, zack, zack! Den anderen bloß nicht allzu lange
warten lassen oder zu stören! Es ist auch wichtig, sich angemessen Zeit zu
nehmen! Die anderen waschen ja auch ihre Wäsche so lange, bis sie sauber ist
und ich möchte auch saubere Wäsche haben!
Der
Himmel zieht sich wieder zu. Kalter Ostwind zieht über Galicien. Es sieht nach
Regen aus.
Hoffentlich
wird die Wäsche auf dem überdachten Balkon trocken. Chris kocht unser
Standartgericht — Nudeln. Aber diesmal mit Bolognese!
Wir
sitzen als Einzige in diesem großen Essenraum an einem der Tische. Von
Sauberkeit keine Spur! Der Saal und die Küche bedürften einer gründlichen Reinigung.
Es ist unglaublich! Ungefähr ab León werden die Herbergen immer verdreckter.
Die hygienischen Verhältnisse sind teilweise chaotisch. Neue Herbergen sind
großzügig mit teurem Kücheninventar ausgestattet, das aber einfach verlottert,
weil nichts gesäubert oder instand gehalten wird. Das ist für mich unfassbar!
Zumal es staatliche Herbergen sind und die Städte genügend Einnahmen durch die
Pilger haben, um ihre Herbergen besser pflegen zu können. Hier sind
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