Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
Vom Netzwerk:
betrachtete sie einfach nur für einen Moment. Strich behutsam darüber. Er schluckte . Oh, Lola. Er sah sie vor sich, herumwirbelnd, bildschönim neuen Glitzerkostüm für eine kommende Show. Hörte ihr Lachen, dunkel und weich. „Na, kleiner Mann, wie sehe ich aus?“
    Monroe atmete tief durch und begann zu lesen.
     
    Mein Tintin,
    es ist grauenvoll hier und ich hasse es. Hier sehen alle aus wie Vogelscheuchen. Diese Irre in meinem Zimmer hält mich die ganze Nacht wach und schreit im Schlaf. Der Therapeut ist wider Erwarten ganz erträglich. Er will, dass ich allen einen Brief schreibe, bei denen ich etwas gutzumachen habe. Also, hier ist deiner.
    Es tut mir leid, dass dein Vater eine rückgratlose Memme ist und sich davor gedrückt hat, mich zu heiraten. Mit seinem Geld hätte er uns ein sorgenfreies Leben bieten können. Vielleicht stimmt es, dass ich mir zu wenig Zeit für dich nehme, aber du kennst das Geschäft. Ich bin so, wie ich bin, Tintin, was soll ich sagen. Vielleicht war ich nicht immer fair zu dir, als ich drauf war, aber das wird sich jetzt alles ändern. Wir werden ein neues Leben anfangen, wir beide und Gypsy. Ich verspreche dir, ich werde mir Mühe geben. Diesmal werde ich es nicht vermasseln. Je t'aime, mon petit prince.
    Lola
     
    Monroe hielt den Brief noch für einen Moment in seiner Hand. Dann zerknüllte er das Schreiben und warf es ohne zu zögern ins Kaminfeuer. Genau so war Lola gewesen, hart und selbstgerecht, ohne je einen eigenen Fehler einzusehen. Voller leerer Versprechungen. Sie hatte es stets anderen überlassen, sich um sie zu sorgen, und es ihnen dabei noch so schwer wie möglich gemacht. Rücksichtslos war sie gewesen. Das hatte ihn geprägt, wie sehr, wurde ihm nun zum ersten Mal klar. Doch er musste nicht so sein, auch wenn er immer Lolas Sohn bleiben würde. Er konnte sich von der Vergangenheit lossagen, irgendwie, irgendwann, und all diese Dämonen für immer verbannen. Der letzte Pfand, der ihn an Lola gekettet hatte, rollte sich schwarz in den Flammen zusammen und zerfiel zu Staub. Er fühlte sich ruhig, fast erleichtert. Jetzt war alles erledigt. Jetzt war es endlich vorbei.

Rückkehr nach München
     
    Weitere drei Tage später war Maxims Vater noch immer nicht aus dem Koma erwacht. Allerdings meinten die Ärzte inzwischen, er sei außer Lebensgefahr, und verlegten ihn auf eine teure Privatstation. Am Fenster des Krankenzimmers stehend blickte Maxim hinunter auf einen großzügigen Park. Schwere, tauende Schneestücke fielen von dessen Bäumen hinab. Ein Pfleger schob gemächlich eine apathisch wirkende Greisin i m Rollstuhl auf den gewundenen Betonwegen dahin. Maxim blickte über die Schulter zurück auf das Krankenbett. Sein Vater konnte mittlerweile wieder selbstständig atmen, doch das Fehlen der Beatmungsmaschine machte das Ganze nur gespenstischer. Er lag regungslos, die rechte Hand seltsam verdreht, wie eine abgestorbene Kralle. Aus seinem Mundwinkel lief unkontrolliert Sabber wie bei einem Kleinkind. Man hatte Maxim gesagt, er sollte viel mit ihm sprechen. Doch sein Vater hasste belangloses Geschwätz, und etwas anderes hatte er ihm nicht zu sagen.
    Im Geiste sah Maxim seinen Vater vor sich, wie er mit der Faust so heftig auf den langen Esstisch schlug, dass die Gläser klirrten. Er sah seine Mutter zusammenzucken, die Schultern hochziehen, den Blick senken, versuchen, sich unsichtbar zu machen, während ihr Gatte jähzornig über sie hereinbrach wie der Zorn Gottes. „Das hast du nun davon“, sagte Maxim schließlich leise und betrachtete den Komatösen mit unbewegter Miene.
    Er hatte mit Herrn Hart, schon immer Anwalt der Familie und bestens vertraut mit allen Meinigschen Belangen, gesprochen. Hilda hatte recht. Die Verantwortung für Meinig Interieur lag nun bei ihm. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, der Sohn zu sein, den sein Vater sich immer gewünscht hatte. Aber nach all den Jahren, die Maxim erfolglos um seine Anerkennung gekämpft hatte, wusste er plötzlich nicht mehr, wozu.
     
    * * *

    Am einundzwanzigsten Dezember erwachte Friedmar Meinig aus dem Koma. Ein blasser, junger Arzt mit betroffenem Blick versuchte Maxim zu erklären, was genau geschehen war, und wie es nun weitergehen würde. Während des Schlaganfalls war das Gehirn seines Vaters nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt worden, wodurch Nervenzellen in den betroffenen Hirnregionen abgestorben waren. Nun war seine rechte Körperseite vollständig gelähmt. Da die sprachdominante

Weitere Kostenlose Bücher