Café Eden - Roman mit Rezepten
Kopf, bis Tom mit seinem kurzen Gebet fertig war.
»Ich finde schon einen anderen Job«, wiederholte Gideon ungefragt. Er reichte Tom die Sauerteigbrötchen und bat um eins der kleinen Marmeladentöpfchen. Pfirsich. »Ich fange ernsthaft an zu suchen, sobald ich mit dem Alten Testament fertig bin.«
»Was hat das Alte Testament mit deiner Arbeit zu tun?«, fragte Ruth. Sie kniff die Lippen zusammen, was kein gutes Zeichen war. In scharfem Tonfall korrigierte sie Juniors Manieren, unterstützt von Afton. Beide fuhren Alma an, aber es war deutlich zu spüren, dass sich ihr Zorn in Wirklichkeit auf Gideon richtete.
»Meine GroÃe Zeittafel. Wenn ich mit dem Alten Testament fertig bin, habe ich immer noch das Neue...«
»Und was ist mit der Miete?«, wollte Ruth wissen. »Was ist mit Essen, Kleidung und Unterhalt für deine Familie?«
»Wir haben keinen Hunger«, erwiderte er.
»Doch«, sagte Eden. »Ich habe immer Hunger.«
Afton lachte. »Ja, das stimmt.«
Ruth lächelte ihre Enkeltochter an. Und dann hatte sie eine Idee. Wenn Gideon keine Arbeit hatte und seine Miete nicht bezahlen konnte, warum sollte er mit seiner Familie dann nicht zu ihr ziehen? Ruth lebte allein in dem groÃen Haus, in dem ihre Kinder aufgewachsen waren, einem Haus an St. Elmos alter, exklusiver Silk Stocking Row. Ja, sicher, Ruth würde sich einschränken müssen, sie hatte noch nie viel für eine groÃe Familie oder Kinder übrig gehabt. Selbst ihre eigenen Kinder waren ihr oft wie ein unruhiges Völkchen vorgekommen, mit offenen Mündern und ausgestreckten, fordernden, schmutzigen Händen. Und als sie älter wurden, waren sie dickköpfig, rebellisch und undankbar. Sie betrachtete Afton und ihre groÃe Familie. Afton Lance war eine glückliche Frau. Hatte Ruth etwas versäumt? Nun, sie wollte lieber nicht über Dinge nachdenken, die sie doch nicht ändern konnte. Sie aà ein Stück Kartoffel und dachte, dass Gideon ein hoffnungsloser Fall war. Wenn die Familie in ihr Haus einzog, dann hätten zumindest Ada und Ernest, die armen kleinen Bälger, saubere Kleider, genug zu essen und die Möglichkeit, anständige Manieren zu lernen. Und Eden? Ruth konnte ihr gute Bücher zu lesen geben und könnte das Kind formen. Sie könnte Eden vor der Schwäche ihres Vaters und der Schlamperei ihrer Mutter bewahren. Aber könnte Ruth es ertragen, mit Kitty zusammenzuleben? Sie unterdrückte ein Schaudern und warf erneut einen Blick auf Eden, die sich Essen in den Mund schaufelte, als ob sie nie wieder etwas zu essen bekäme. Zumindest heute würde das wahrscheinlich auch der Fall sein. Ruth legte ihre groÃe Hand über Edens kleine. »Iss langsam.«
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Wirklich elegant war die mit Palmen bestandene Silk Stocking Row nicht mehr. Die viktorianischen Villen hatten dunkle Zimmer, breite Treppen mit Schnitzereien, auf denen sich der Staub sammelte, und groÃe Spiegel. Für die Douglass-Kinder jedoch war Ruths Haus das reinste Paradies nach der vollgestopften alten Bruchbude, in der sie gehaust hatten. Sie spielten Verstecken in den Zimmern mit den schweren Vorhängen vor den Fenstern und den düsteren, wuchtigen Möbelstücken. Eden, Ada und Ernest hatten jeder ein eigenes Zimmer, und Eden war dankbar dafür, dass sie nicht mehr mit ihrer kleinen Schwester das Bett teilen musste, weil Ada es sich immer noch nicht abgewöhnt hatte, im Schlaf zu pinkeln.
Gideon Douglass hatte ein Arbeitszimmer, zwar eigentlich nur eine Kammer hinter der Küche, aber für sich ganz allein. Hier arbeitete er an seiner GroÃen Zeittafel, ohne für den Lebensunterhalt seiner Familie sorgen zu müssen. Seit sie im Februar 1927 bei Ruth eingezogen waren, arbeitete Gideon nie wieder in St. Elmo.
Da er keinen Job hatte, konnte er Kitty auch kein Geld für das Dream Theatre geben. Sie schmollte, tobte und weinte, beschuldigte Gideon, sie im Stich zu lassen, seine verdammte GroÃe Zeittafel wichtiger zu finden als seine Familie. Sie hasste es, bei Ruth zu wohnen, obwohl sie zugeben musste, dass das Badezimmer mit der tiefen Wanne auf KlauenfüÃen an heiÃen Nachmittagen der Himmel auf Erden war. Sie füllte die Wanne mit kaltem Wasser, gab einen Spritzer Eau de Cologne hinzu und stieg wie eine füllige, rosige Venus hinein, einen Roman in der einen und einen japanischen Fächer in der anderen Hand, die geheime
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