Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Café Eden - Roman mit Rezepten

Titel: Café Eden - Roman mit Rezepten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Kalpakian
Vom Netzwerk:
und seltsame Gerüche in der Luft hingen. Heißes Wasser zischte aus einem Rohr. Der Junge hatte so etwas noch nie gesehen, und staunend blickte er sich um. Die Chinesen, die hier arbeiteten, schauten nur kurz auf und wandten sich dann wieder ihren Aufgaben zu.
    Tante führte den Jungen und seine Mutter in einen kleineren Raum mit Regalen vom Boden bis zur Decke, mit Gestellen, an denen seltsame Werkzeuge hingen, und Stapeln von Schubladen mit Porzellanknöpfen. Im Fenster saß eine Katze. Tante musterte den Jungen kritisch.
    Seine Mutter kniete sich vor ihn. Du bleibst hier eine Zeit lang bei Tante. Ich komme wieder zurück, aber jetzt verlasse ich Schanghai erst einmal und gehe auf eine Reise. Ich will deinen Vater finden.
    Die untersetzte Frau schnaubte und sagte zu dem Jungen: Dein Vater ist tot. Zu seiner Mutter sagte sie: Sie schicken Männer mit Dynamit in die Löcher, die sie in die Berge graben, und die Chinesen werden in die Luft gejagt. Sie schicken sie in den sicheren Tod in die Wüste, wo ihre Knochen bleichen und ihre Seelen den Weg nach Hause nicht mehr finden. Und alles nur, um eine Eisenbahn zu bauen? Jeder Mann, der China verlässt, um so ein Leben zu führen, hat den Tod verdient.
    Bitte, Tante, murmelte seine Mutter.
    Und wenn er noch am Leben ist, hat er eine neue Frau.
    Bitte, Tante, sagte seine Mutter noch einmal. Sie stand auf und legte dem Jungen den Arm um die Schultern.
    Glaubst du etwa, solche Männer denken an ihre Frauen in China? An ihre Vorfahren? Sie werden Amerikaner.
    Das Gesicht seiner Mutter war glatt und traurig. Sie war noch jung. Sie war stark. Sie sah aus wie der Junge, und sie sagte zu ihm: Dein Vater hat uns nicht freiwillig verlassen. Sie haben ihn geholt. Aber ich weiß jetzt, wo ich ihn finden kann. Ich habe einen Brief. Seine Mutter berührte die Schnur um ihren Hals, an dem ein kleines Baumwollsäckchen hing. Darin knisterte Papier.
    Du kannst doch gar nicht lesen, sagte die untersetzte Frau.
    Der Brief ist mir vorgelesen worden. Ich kenne jedes Wort auswendig.
    In der Küche ertönte ein kurzer, scharfer Warnruf. Tante entschuldigte sich und sagte, sie sollten warten. Der Junge sah einen Mann in die Küche treten. Er hatte blasse weiße Haut, blasse blaue Augen und buschige rote Koteletten. Er trug eine schwarze Jacke und eine langen schwarze Hose. Der Junge fand, er sah aus wie ein Käfer. Befehlend klatschte er in die Hände und sagte etwas zu Tante in einer gutturalen, schnatternden Sprache.
    Wer ist der Mann?, fragte der Junge seine Mutter.
    Ein Ausländer, erwiderte sie. Barbaren. Hier sind die barbarischen Franzosen. Besser als die barbarischen Briten oder die barbarischen Amerikaner. Tante ist hier erste Haushälterin. Sie wird dir beibringen, für sie zu kochen. Du wirst hier in der Küche arbeiten.
    Nein, ich will mit dir gehen.
    Du wirst hier arbeiten, sagte sie noch einmal. Du wirst nie wieder Hunger haben. Sie kniete sich vor ihn und strich ihm die Haare aus der Stirn. Sein Gesicht war wie ihr Gesicht. Sie sagte: Bleib hier, bis ich zu dir zurückkomme. Ich bringe deinen Vater mit. Du wirst hier nie mehr Hunger haben. Du wirst groß werden. Und dick wie Tante, flüsterte sie lächelnd.
    Sie stand auf und wandte sich zu der dicken Frau um, die wieder zu ihnen gekommen war. Der barbarische Ausländer hatte die Küche verlassen.
    Er muss gehorchen, sagte Tante. Wenn er nicht gehorcht, verprügele ich ihn.
    Er wird gehorchen. Er ist sehr klug, Tante. Er ist ein sehr kluger Junge.
    Was machen sie da?, fragte der Junge und zeigte in die Küche.
    Tante schlug ihm auf die Hand. Stell keine Fragen. Tu, was ich dir sage. Komm.
    Der Junge hatte Angst. Er schlang die Arme fest um seine Mutter.
    Seine Mutter löste seine Arme, seine Hände von ihrem Körper. Sie sagte: Weißt du noch, was ich dir gesagt habe?
    Du kommst zu mir zurück. Du bringst meinen Vater mit. Der Junge verstand es jetzt.
    Ja. Ich werde jeden Tag an dich denken, solange ich weg bin. So wie dein Vater an uns denkt.
    Ich erinnere mich nicht an meinen Vater. Er ist mir egal. Ich will bei dir bleiben.
    Du bleibst hier bei Tante, arbeitest hier und lernst alles, was Tante dir beibringen kann.
    Ich will mit dir kommen.
    Nein. Allein bin ich schneller. Wir sehen uns wieder. Bald schon. Aber du musst jeden Tag an mich denken. Und jeden Morgen, wenn du aufwachst, musst du sagen St. Elmo, California. In ihrer Sprache. In

Weitere Kostenlose Bücher