Café Luna: Verbotenes Glück
fügte sie deshalb wortkarg hinzu. In diesem Moment, das wusste sie genau, würde sie alte Geschichten, die mit „Weißt du noch …“ begannen, schlicht und einfach nicht ertragen. „Und wo warst du all die letzten Jahre?“
Der Graf machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Im Ausland, mal hier, mal da, eben überall, wo man mich brauchen konnte“, erklärte er lapidar, und Luisa argwöhnte sofort, dass er vermutlich wegen Wettschulden oder aber einem heimlichen Duell das Land hatte verlassen müssen. Gentlemansünden eben, die es heutzutage nicht mehr gab.
Und schon bekam sie einen weiteren Eindruck davon, wie Charmeure der alten Schule ihre Komplimente an den Mann – das hieß in diesem Fall natürlich an die Frau – brachten.
Mit übertriebenem Augenaufschlag drehte Graf von Lüdow das Gesicht gen Himmel und rief: „Ich danke dir, Fortuna, dass du Eleonores Weg noch einmal mit meinem hast kreuzen lassen. Ich verspreche auch bei allem, was mir heilig ist, sie nie wieder aus den Augen zu verlieren!“
Amüsiert schüttelte Eleonore den Kopf. „Baudouin, du bist noch genau so verrückt wie damals!“, erklärte sie rundheraus. Was der Graf nicht als Beleidigung aufzufassen schien.
„Noch verrückter, das Alter macht’s“, bestätigte er und verdrängte Luisa mit einem galanten Lächeln von ihrem Platz hinter dem Rollstuhl. „Und jetzt, meine Liebe, sollten wir gemeinsam einen kleinen Spaziergang machen. Den ersten von vielen. Wir haben schließlich viel aufzuholen! Nachdem du nun so ganz ohne Beschützer bist, werde ich mich selbstredend um dich kümmern!“
Luisa musste grinsen, als sie das Gesicht ihrer Großmutter sah, die spontan und sehr vehement die Bremsen des Rollstuhls anzog. Doch bevor sie dem Grafen eine kleine, aber feine Rede über Selbstbestimmung und Emanzipation halten konnte, bei der Luisa Eleonore nur allzu gerne unterstützt hätte, kam Herr Rieger auf einmal den Weg entlang. In den Händen trug er etwas, das gut und gerne ein Römertopf sein konnte. Eleonore bemerkte ihn sofort, und ihr Gesicht bekam einen freudigen Ausdruck.
„Lass uns das auf ein andermal verschieben“, bat sie ihren gräflichen Galan und lächelte dem Pförtner strahlend entgegen. „Hier kommt weiterer Besuch für mich.“
Falls der Graf diesen dezent formulierten Wink gehört haben sollte, so war davon nichts zu merken. Er positionierte sich direkt neben Eleonore und legte besitzergreifend eine Hand auf ihre Schulter, während er Johann Rieger mit hocherhobenem Haupt entgegenblickte. Auch dem Pförtner schien noch im Näherkommen aufzufallen, dass er Konkurrenz bekommen hatte. Nachdenklich betrachtete er die Dreiergruppe, und sein Blick blieb am gestutzten Bart des Grafen hängen. Er verkniff sich ein Lächeln, beschleunigte seinen Gang und begrüßte die beiden Frauen freundlich. Dann übergab er Eleonore sein Mitbringsel, das sich tatsächlich als kalter Braten entpuppte, und streckte Graf von Lüdow seine freie Hand entgegen.
„Johann Rieger, angenehm“, lächelte er. Einem Freund Eleonore Riegers wollte er zumindest mit dem gebührenden Respekt begegnen. Doch der Graf holte ein Monokel aus der Brusttasche seines Jacketts und beäugte die ihm dargebotene Hand, als wäre sie ein Insekt.
„Ich nehme an, Sie sind der Koch?“
Luisa blieb die Spucke weg. Das war ihrer Meinung nach nicht nur ein völlig überkandideltes, sondern auch ein extrem herablassendes und peinliches Verhalten. Doch noch während sie sich strahlend umdrehte, um Johann Rieger irgendetwas besonders Nettes zu sagen, hatte er schon geantwortet. „Nein, nur der Pförtner von Hansen Kaffee.“ Er zog seine Hand zurück und steckte sie in seine Hosentasche.
Diese Behandlung hatte ihn getroffen. Auch wenn Johann Rieger vielleicht tief in seinem Herzen nichts anderes erwartet hatte. Eleonore Hansens und seine Freundschaft war etwas, das in der Umgebung eines Krankenhauses, in der Ausnahmesituation, die durch eine Krankheit oder Verletzung entsteht, gedeihen konnte. Vielleicht hatte er gehofft, sie könnten etwas von ihrer neu gewonnenen Vertrautheit in den Alltag hinüberretten. Aber sicher war er sich darüber nie gewesen. So etwas würde er sich nicht anmaßen. Umso überraschter war er, als sich nun Eleonore einmischte.
Wütendfunkelte sie den Grafen an. „Baudouin, du verhältst dich wie ein alberner Hinterwaldaristokrat, reiß dich zusammen“, befahl sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Dieser Herr
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