Café Luna: Verbotenes Glück
ich dich nicht einmal erkannt. Na ja, ich wusste bei der Hälfte der Belegschaft nicht mal, was vorne und was hinten ist …“ Anna brach verwirrt ab, als er – weit entfernt davon, beleidigt zu sein – nun auch noch begann zu kichern. „Gott sei Dank!“, erklärte er. „Ich wusste, auf dich kann ich zählen. Dieser Titel schon allein! Ich glaube, das hier war tatsächlich das allerschlimmste Stück, in dem ich jemals mitgespielt habe. Ich bin so froh, dass Onkel Rudolf die Grippe hat!“ Als er Annas verwirrte Miene sah, erklärte er: „Der kommt zu jeder meiner Aufführungen. Ganz egal, ob ich ihn bitte, es diesmal gut sein zu lassen. Ein echter Theaterfan eben, mein Patenonkel. Und dabei so furchtbar nett – in jeder Rolle versucht er etwas Besonderes zu sehen! Eine Herausforderung. Aber wir beide, wir können gefahrlos lästern, oder?“
Anna konnte ein breites Grinsen nicht mehr unterdrücken. Was hatte sie sich abgequält all die letzten Tage, nur weil ihr partout nicht einfallen wollte, wie sie die Wahrheit sagen konnte, ohne Stefan dabei zu verletzen. Und jetzt das! Ihr „Aber hallo!“ kam aus tiefster Seele. Und vielleicht könnte sie ja auf die nächste Premiere gemeinsam mit Stefans Onkel gehen?
Molly freute sich sehr über diesen speziellen Kunden. Sie hatte inzwischen einiges über Johann Rieger gehört und war sehr neugierig darauf, ihn kennenzulernen. Außerdem hatte Luisa etwas über ein Date verlauten lassen, und da konnte Molly grundsätzlich nicht widerstehen. All die Klatschmagazine, die normalerweise in Friseurläden herumlagen? Nichts gegen die Geschichten, die Molly Tag für Tag zu hören bekam.
Behutsam kämmte sie die nassen, dicken weißen Haare des Pförtners. „Sie brauchen nicht so vorsichtig zu sein, Fräulein Molly, ich hab zum Glück noch genug davon“, lächelte er sie im Spiegel an. Molly grinste zurück und nahm die erste Strähne in Angriff. Nebenher fragte sie ihn ein wenig aus. So erfuhr Molly also nicht nur von seiner Leidenschaft für das Kochen, sondern auch von jenem wichtigen Ereignis, das ihn hierher, auf ihren Frisierstuhl, gebracht hatte.
„Und nachdem sie mich nun schon eingeladen hat – sozusagen als ihr offizieller Begleiter –, möchte ich natürlich nicht, dass sie es bereut, nicht wahr?“, erklärte er Molly mit einem Glitzern in den Augen, das ihr mehr verriet als seine Worte.
„Kennen Sie beide sich denn schon lange?“, tastete sich Molly vor, immer im Hinterkopf, dass Luisa vermutete, Johann Riegers geheimnisumwittertes Date sei ihre Großmutter.
„Sehr lange“, strahlte der Pförtner und fügte etwas leiser hinzu: „Aber erst seit ein paar Wochen richtig gut.“ Dann drehte er den Spieß um. „Und, Fräulein Molly, wie ist das bei Ihnen? Gibt es einen besonderen Menschen in Ihrem Leben?“
„Bei mir gibt es einen Haufen davon, nur der Richtige hat noch nicht an meine Tür geklopft“, gab sie lächelnd zurück. Johann Rieger winkte ab. „Nur nicht den Mut verlieren, der Richtige kommt manchmal durch die Hintertür.“ Molly blickte überrascht auf. Was, wenn er recht hatte, vielleicht hatte sie tatsächlich jemanden übersehen? Doch wen? Eine ihrer Chatbekanntschaften etwa? Die meisten konnte man eh in der Pfeife rauchen! So wie die Männer, denen sie im wahren Leben begegnete. Irgendwie hatten alle mehr Glück als sie. Die fanden die Richtigen. Nur sie suchte sich stets mit absoluter Zielsicherheit die Vollidioten raus. Der Einzige, der wirklich nett und echt klang, war dieser DrDoolittle. Der brachte sie zum Lachen, aber man konnte auch ganz ernsthafte Gespräche mit ihm führen. Doch genau das war auch der Grund, warum sie ihn lieber erst gar nicht treffen wollte. Sie hatte Angst, mal wieder enttäuscht zu werden. Am besten, sie blieb erst mal alleine. Vielleicht standen momentan einfach die Sterne nicht günstig. Wenn sie nur an Luisa und Konstantin dachte … Ob sie Luisa mal wieder bitten sollte, ihr die Karten zu legen?
Luisa saß auf der Terrasse der kleinen Kantine von Hansen Kaffee und guckte in den Milchschaum ihres Caffé Latte. Sie hatte keinen Hunger gehabt. Nicht heute, nicht gestern, überhaupt konnte sie nicht mehr ans Essen denken, seit Konstantin … Luisa blickte sich um. Ein paar Tische weiter lächelten ihr Nicole und Herr Braun, der Röstmeister, zu. Bestimmt hätte sie sich zu ihnen setzen können, aber Luisa war nicht nur nicht nach essen zumute, nein, sie war auch gerade nicht in Stimmung zu reden. Alles
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