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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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dem dunklen Zeitalter von Tims Schizophrenie. »Danke, Tim. Vielen … Dank.«
    Am liebsten hätte er die blöde Figur in die Büsche geschleudert. Zugleich hatte er den kleinen Gegenstand sofort ins Herz geschlossen. Er hatte in seiner Primitivität etwas zutiefst Anrührendes.
    Bill Fanthorpe kam näher. »Tim hat am Werkkurs teilgenommen. Ich dachte, die Figur könnte Ihnen gefallen …«
    »Ja«, sagte Simon. »Sie ist sehr schön. Danke.«
    Fanthorpe machte ein paar Schritte zurück; Simon umarmte seinen Bruder noch einmal - und dann strahlte ihn Tim mit seinem irren und unsicheren breiten Grinsen an, und der jüngere der beiden Brüder hatte wieder einmal den schrecklichen Eindruck, dass sein Sohn Conor seinem Bruder ähnelte - es war das gleiche Lächeln, haargenau das gleiche.
    Simon riss sich zusammen und widerstand dem Drang, einfach wegzurennen; er schüttelte Fanthorpe die Hand und ging langsam zu seinem Auto. Auf dem Weg dorthin hatte er das Gefühl, als zerrisse es ihn innerlich. Er hielt die kleine Figur immer noch in der Hand. Er nahm seine Geldbörse heraus und steckte die Figur hinein, neben die Haarlocke, die er darin aufbewahrte, aus der Zeit, als Conor noch ein Baby war.
    Die Traurigkeit hatte etwas so Überwältigendes, dass er froh war, als er endlich im Auto saß - und dreißig Minuten später im ewigen Klammergriff der North Circular im Stau steckte. Irgendwie hatte die Verlässlichkeit des Staus etwas Tröstliches. Er war so vorhersehbar.
    Nachdem er, vom Septemberregen benieselt, zehn Minuten keinen Zentimeter vom Fleck gekommen war, klingelte sein Handy.
    Es war Edith Tait aus Foula.
    Sie erzählte ihm, dass Julie Charpentier sie zu ihrer großen Überraschung in ihrem Testament berücksichtigt hatte.
    Simon konnte die Begeisterung der alten Frau nicht teilen. Auf das Auto vor ihm stierend, bat er sie, ihm das genauer zu erklären.
    »Es ist vor allem die Höhe der Erbschaft, Mister Quinn. Ich habe zuerst den Herrn von der Polizei angerufen, aber er war nicht erreichbar … na ja, und da dachte ich, es könnte auch Sie interessieren. Deshalb rufe ich jetzt Sie an.«
    Simon legte den Gang wieder ein. Er bewegte sich ganze zehn Zentimeter vorwärts.
    »Und? Wie viel haben Sie geerbt?«
    »Na ja.« Edith Tait lachte verlegen. »Es ist mir fast ein bisschen peinlich.«
    »Jetzt sagen Sie schon.«
    Die alte schottische Lady holte tief Luft, bevor sie antwortete. »Julie hat mir eine halbe Million Pfund hinterlassen.«

14
     
    Amy war ans Ende der Hotelterrasse gegangen und telefonierte mit Jose. David beobachtete sie, ihre lebhaften Gesten, ihr vom Wind zerzaustes blondes Haar. Ihr Stirnrunzeln verriet ihm, dass das Gespräch einen befremdlichen Verlauf nahm. Sie kam wieder an den Tisch zurück. David beugte sich gespannt vor.
    »Was hat er gesagt? Hast du ihn wegen meiner Eltern gefragt? Hängt das alles mit meinen Eltern zusammen?«
    Amy legte das Handy auf den Tisch. »Also … es war nicht wirklich etwas aus ihm herauszubekommen. Er hat einfach wild und ziemlich zusammenhanglos drauflosgeredet. Schlimmer noch als in dem Moment, als du ihm die Landkarte gezeigt hast.«
    »Und sonst…?«
    »Er hat gesagt, wir müssten unbedingt verschwinden. Außerdem hat er gesagt, wir sollten auf keinen Fall der Polizei trauen. Aber das habe ich mir ja schon gedacht. Und er meinte, Miguel würde uns wahrscheinlich folgen.«
    David brummte unwirsch.
    »Mehr nicht? Das wissen wir doch alles schon.«
    »Ja. Aber irgendwie kam er mir auch … eigenartig vor.« Amy stützte ihre in einer Strickjacke steckenden Ellbogen auf die von goldgelben Croissantbröseln übersäte Tischdecke. »Jose hat gesagt, dass auch er verschwinden will. Irgendwo untertauchen.«
    »Jose? Warum das denn?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Jedenfalls schien er richtig Angst zu haben.«
    »Vor Miguel?«
    »Vielleicht. Oder vor der Polizei. Keine Ahnung.« Ein Regentropfen fiel auf das Papiertischtuch, ein grauer Fleck neben dem Handy. »Also, ich werde jedenfalls nicht einfach davonlaufen«, sagte David. »Ich will unbedingt wissen, was mit meinen Eltern passiert ist. Falls das alles irgendwie … miteinander zusammenhängt.« Er blickte in Amys wundervolle blaue Augen. Die ihn an die seiner Mutter erinnerten. »Hat er denn über meine Eltern überhaupt nichts gesagt?«
    »Nein«, murmelte sie. »Absolut nichts. Leider.«
    Mit einem frustrierten Seufzen lehnte sich David zurück. Offensichtlich war es unmöglich, mehr aus

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